Lerne vom Esel wie man Christus tragen soll
Am Palmsonntag wird alljährlich die Passion aus jenem Evangelium verkündet, das dem Lesejahr entspricht, heuer also nach Markus. Es ist die kürzeste, und wohl älteste Passion, weniger bekannt als die Matthäuspassion, aber auch mit eigenen Akzenten.
- Der evangelische Exeget Georg Strecker hat das Markusevangelium das Buch der geheimen Epiphanien[1] genannt: in scheinbaren Nebensächlichkeiten wird die Wahrheit Jesu offenbar.
Schon im Evangelium, das zur Palmweihe verkündet wird, begegnen wir der auffällig deutlichen Szene, wie der Esel geholt wird. Am Schluss des ersten Buches der Heiligen Schrift, im Buch Genesis (49,11), ist im Segen Jakobs für Juda vom Esel, dem Füllen einer Eselin, zu lesen. Der Messias kommt nicht hoch zu Ross, sondern auf einem Esel, einem Sinnbild für den Frieden. Der Prophet Sacharja ruft Jerusalem zur Freude auf: „Siehe, dein König kommt zu dir. Gerecht ist er,… demütig ist er und reitet auf einem Esel…. Er wird den Nationen Frieden verkünden“ (Sach 9,9f).
Der Hl. Ambrosius ruft die Christen von Mailand auf: „Lerne vom Esel, wie man Jesus tragen soll. Lerne bereitwillig, ihm den Rücken deines Geistes darzubieten. Lerne unter Christus zu sein, damit du über der Welt stehen kannst.“[2]
- Im Markusevangelium hören wir wiederholt, dass Jesus es abgelehnt hat, sich Messias nennen zu lassen.
Erst jetzt, in der Passion, in der es keine Missdeutung mehr geben kann, bekennt er auf die Frage des Hohepriesters: „Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?“ – „Ich bin es. Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen!“
Sein Messias-Königtum ist aber anders: Die Schriftgelehrten spotten: „Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten. Der Christus, der König von Israel! Er soll jetzt vom Kreuz herabsteigen, damit wir sehen und glauben.“ Gerade darin, dass er nichts für sich tut, erweist er sein Königtum, sein Dasein-für-uns als Dienst, wie es Jesaia sagt: „Ich wehrte mich nicht, ich wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen…“ (Jes 50,5f).
Der Hymnus im Philipperbrief, den wir als zweite Lesung gehört haben, ruft uns auf, „so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“
- Die Passion gipfelt im Bekenntnis des heidnischen Hinrichtungsoffiziers: „Wahrhaft dieser Mensch war Gottes Sohn!“ Das Markusevangelium wurde ursprünglich für aus dem Heidentum zum Glauben an Christus Bekehrte aufgezeichnet.
Das Erleben dieses Tages und die Begegnung mit Jesus in seiner Passion hat dem Heiden die Augen geöffnet und zu diesem Bekenntnis des Glaubens geführt. „Da riss der Vorhang im Tempel in zwei Teile von oben bis unten“: der Zugang zu Gott ist für alle, auch für die Heiden, geöffnet.
300 Jahre später hat Bischof Kyrill von Jerusalem[3] das Bild des Gekreuzigten gedeutet: „Ausgebreitet hat er am Kreuz seine Arme, um die Grenzen der Erde zu umspannen.“
Stimmen wir dankbar ein in das Glaubensbekenntnis des heidnischen Hauptmanns!