Auferweckt
„So ein aufgeweckter Junge!“ entlockte es freudig-begeistert der Frau, als sie in den Kinderwagen blickte. Das breite Grinsen auf dem Gesicht des Kindes erfreute sie ungemein. „You made my day!“, dachte sie und fühlte sich glücklich.
„Der Tod war für sie eine wirkliche Erlösung.“ Diese Kundgabe von Erleichterung hört man manchmal, wenn jemand nach langer und qualvoller Krankheit sterben konnte, durfte. „Endlich ist sie von den Schmerzen erlöst.“
Natürlich machen wir alle Erfahrungen von Unheil und Leid, von Unerlöstsein wie auch von Befreiung. In den seltensten Fällen werden solch alltägliche Erfahrungen mit der Kategorie Erlösung in Verbindung gebracht, wie sie das Christentum kennt.
Beide Beispiele haben unausgesprochen etwas mit der Auferstehungs- und Erlösungshoffnung des Glaubens zu tun. Erlösung wird dabei mit dem Gedanken der Befreiung, der Entlastung, der Verbesserung des bisherigen Zustandes verbunden. Das hängt zusammen mit lösen, losmachen. Diese Vorstellung signalisiert, dass es mehr gibt als die Abwesenheit des Negativen. Biblisch gesprochen ist Erlösung die Vision vom „Leben in Fülle“ (Joh 10,10). Dieses erfüllte Leben hat Jesus versprochen: „Das Reich Gottes ist nahe.“
Das versprochene Heil
Die Überwindung von widrigen Lebensumständen wird im Alten Testament als Befreiung gedeutet. Nachkommenschaft, Wohlergehen, Gesundheit, eine gerechte Ordnung, Lebensmöglichkeiten für alle sind Konkretisierungen von Heil. Damit verbunden ist die feste Überzeugung, dass Gottes Handeln am Menschen Erlösung ist.
Das Neue Testament erkennt in Jesus Christus die personifizierte Erlösung, die darüber hinaus keine Steigerung kennt. Sein Handeln am Menschen ist befreiend. Er heilt Kranke, befreit von der Gesetzeslast und der Fixierung auf das eigene Ich. Wer heute auf ihn hört und an ihn glaubt, erfährt die Stiftung von (neuen) Beziehungen, (neue) Selbsterkenntnis, Freiheit von Besessenheit. Der Glaubende kann eine neue Seinsqualität erfahren.
Die Bibel spricht meist von der Auferweckung Jesu. Wir sind eher gewohnt von Auferstehung zu sprechen. Auferweckung betont das Handeln Gottes. Auf seine Initiative hin, durch seine Wirkmacht können wir den Tod und die Sünde überwinden. Aus uns selbst heraus sind wir hilflos gegenüber dem Tod. Seine Liebe überwindet Sünde und Tod. Sie gibt nicht auf. Ohne Gott ist Auferstehung nicht möglich. Auferweckung ist Geschenk.
Schon und noch nicht
Die Hoffnung auf Auferweckung des Menschen vertröstet keineswegs auf das Jenseitige. Im Hier und Jetzt ist Auferstehung möglich, aber noch nicht vollendet. Jede Heilung, jedes Glücksgefühl ist ein Vorgeschmack, eine zarte Vorwegnahme zukünftiger Vollendung. Einen lästigen Schnupfen loszuwerden ist wunderbar. Und dennoch kann er wiederkommen. Ist unser Heil also nicht von Dauer? Rein irdisch betrachtet müssen wir unser Heil immer wieder neu erringen. Jesus mahnt uns unentwegt, die Augen zu öffnen, achtsam zu sein und richtig zu leben. Es geht um die Solidarität mit den Menschen und das Gespür für das, was der Augenblick von uns erwartet. Eine Entschuldigung, die angenomen wird, ist heilsam. Eine freundliche Begegnung richtet auf.
Sehnsucht Erlösung
Es scheint heute nichts sehnsüchtiger erhofft als das Ende der Pandemie. Das Auf und Ab von Einschränkungen, die Bedrohung unseres Lebens durch das unsichtbare Virus macht uns müde, lässt mitunter scheitern. Die Aussicht auf positive Wirkung einer Impfung ist vielen eine Hoffnungsperspektive.
Und wie steht es mit der endgültigen Erlösung? Die Vorstellung vom Himmel spiegelt eine Beziehungswirklichkeit. Himmel bedeutet bei Gott zu sein, in seiner Liebe. Hölle ist Gottferne. Himmel ist Erlösung von Sünde und Tod. Die Evangelien beschreiben die „Heilung“ unseres verwundeten Menschseins in unterschiedlichen Facetten: Vergebung der Sünden, Versöhnung des Menschen mit Gott (Röm 5,11; 1Joh 2,2), Befreiung und Rettung (Röm 5,9; Kol 1,13), Heilung (1Thess 4,3 u.7), Gemeinschaft und Frieden mit Gott und den Menschen (1Kor 1,9).
Am Hochaltar von Mariazell reicht Gott Vater seinem Sohn, der am Kreuz hängt, die Hand. Der Sohn blickt zu dieser Hand hoffend, wissend, dass sie die Rettung bringt.
Die im Glauben Beschenkten bekennen: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. (Hiob 19,25) Seien Sie Beschenkte.