Jesus, Urheber des Lebens
Aus einem Osterlied ist uns das Wort bekannt: „Der Tod hat keinen Stachel mehr!“ Das Hochgebet der Messe bekennt: „Unser Tod ist durch seinen Tod überwunden. In seiner Auferstehung ist das Leben für alle erstanden!“ Und soeben haben wir den Ostergruß des auferstandenen Herrn gehört: „Der Friede sei mit euch!“ – vertraute Worte!
Zugleich haben wir aber vor uns die Bilder von Terror, Krieg und Zerstörung, sind wir erinnert an Intensivstationen der Spitäler während der Corona-Epidemie, denken wir an die psychischen Folgen von Vereinsamung. Ist all das mit der Osterbotschaft noch vereinbar - ist die Osterfreude nicht dadurch milliardenhaft desavouiert? Viele verstehen unsere Feste nicht und können unseren Glauben nicht teilen. Der Verdacht, Religion sei Opium des Volkes oder für das Volk, kommt wieder auf!
- Die Verkündigung von der Auferstehung war von Anfang an Verdächtigungen ausgesetzt und musste sich gegen Umdeutungen verwahren: die neutestamentlichen Texte stellen sich diesen Herausforderungen.
Schon die Tradition vom leeren Grab hat viele Erklärungen gefunden: von der Unterstellung eines bewussten Betrugs der Jünger, über eine Verwechslung der Grabstätten, bis hin zur bloß frommen Legende ist alles behauptet worden. Jedenfalls „eine so alte, in Jerusalem selbst behauptete Überlieferung hätte sich dort keinen Tag halten können, wenn das Leersein des Grabes nicht als Tatsache für alle Beteiligten festgestanden hätte“[1].
Aber: Die Urkirche hat sich nicht zuerst auf das leere Grab berufen, sondern ihren Glauben auf die Erscheinungen des Auferstandenen gegründet. Dass diese Begegnungen bei den Ersten Zeuginnen und den Aposteln selbst missverstanden worden sind (ein Gespenst? der Gärtner? irgendein zufällig angetroffener Weggefährte?) und von Christus erst in das österliche Licht gerückt werden mussten, bezeugen die Ostergeschichten. Paulus konnte die Korinther auf die zahlreichen Erscheinungen verweisen und schließlich auf seine eigene Berufung (1 Kor 15,5-8).
- Den Glauben und die Hoffnung auf eine Auferstehung hat es zwar in Kreisen des gläubigen Judentums schon gegeben, allerdings auch die Ablehnung dieses Glaubens – ich erinnere an das Streitgespräch Jesu mit den Sadduzäern. Und doch musste Auferstehung nun neu verstanden werden
Dass ein als Verbrecher Hingerichteter auferstanden ist und sich in verwandelter Gestalt offenbart – das hat zunächst, wie schon die Erfahrung der Apostel bei der Verklärung Jesu, Erschrecken und Angst hervorgerufen: es war eine Gottesbegegnung und Gotteserfahrung.
* Auferstehung bedeutet nicht die Rückkehr des auf dem Kreuz Verstorbenen in das Leben vor dem Karfreitag, sondern das endgültige, vollendete Sein in Gott und damit eine neue Weise des Lebens Jesu bei uns: in der Weise Gottes – einem jeden von uns nahe: „Das Reich Gottes ist uns nahegekommen!“
* Lukas, der sein Evangelium auch allen Völkern verkünden wollte, musste auch ein anderes Verständnis von einem Weiterexistieren nach dem Tod zurechtrücken. Für griechisches Denken war der Leib das Grab der Seele, aus dem sich das eigentliche Selbst des Menschen erst befreien muss. Für die Heilige Schrift ist der Leib aber Gottes Schöpfung und bezeichnet nicht nur einen Teil am Menschen, sondern das Ganze des Menschen. Der Leib „ist der Ort, an dem der Mensch Gott und seinen Mitmenschen begegnet. Der Leib ist die Möglichkeit und die Wirklichkeit der Kommunikation“[2].
Wir bekennen, dass Jesus leibhaftig auferstanden ist, mit seiner Geschichte – darum zeigt der Auferstandene den Jüngern seine Hände und Füße, darum lässt er Thomas die Finger in seine Wundmale legen. So bezeugt das Evangelium, dass die ganze Person des Herrn endgültig bei Gott ist durch den Heiligen Geist. Und auch wir bekennen für uns im Credo die Hoffnung auf die Auferstehung: nicht etwas aus uns soll vollendet werden, sondern wir als Menschen, als Personen sind zum ewigen Leben mit Gott berufen.
- Dass Auferstehung schon beginnt und nicht nur ein Thema für theoretische Auseinandersetzungen ist, kommt auch in einem Wort zum Ausdruck, das wir heute in der Lesung aus der Apostelgeschichte gehört haben: Petrus nennt Jesus den „Urheber des Lebens“.
Menschen haben schon vor dem Karfreitag erfahren, dass Jesus ihnen Leben geschenkt, das Leben erneuert hat:
- den Sündern in der Vergebung – vom „Verlorenen Sohn“ heißt es im Gleichnis: „Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden“ (Lk 15,32);
- Kranken und Ausgestoßenen hat Jesus eine neue Gemeinschaft und darin Leben gewährt;
- Frauen und Kinder haben durch Jesus neues Ansehen gewonnen.
Aus der Predigt des Petrus spricht nun diese Erschütterung: „Ihn, der uns Leben gegeben hat, der für uns der Urheber des Lebens geworden ist – habt ihr getötet!“ Die Botschaft geht weiter: „aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt!“ Christus bleibt der Urheber des Lebens auch über seinen Tod hinaus. Denn Leben heißt immer auch Mit-Leben, Mit-Leben mit ihm, dem Auferstandenen, Mit-Leben mit Gott.
Wir alle verdanken Jesus einen neuen Anfang unseres Lebens schon jetzt. Er ist das Brot des Lebens; aus seiner geöffneten Seite fließen Blut und Wasser – Zeichen für die heiligen Sakramente des Lebens. Christus bringt Licht und Hoffnung auch in die Nacht des Todes. Jesus Christus ist auch für uns der wahre „Urheber des Lebens“.
Das lebensspendende Wirken Jesu und die österliche Botschaft verpflichten aber auch uns, in der Nachfolge Christi Anwälte des Lebens vor und nach dem Tod zu sein: Mit Petrus sollen und dürfen wir bekennen: „Dafür sind wir Zeugen!“
Amen.