Jahrtag – Altbischof Johannes Weber
Predigt von Bischofsvikar, Dompfarrer Heinrich Schnuderl zum Gedenken an + Bischof Weber am Pfingstsonntag 2021
Lesungen: Apg 2,1-11; 1 Kor 12,3b-7.12f; Evangelium: Joh 20, 19-23
- Wir feiern dieses Gedenken heute am Pfingstsonntag: der Name dieses Hochfestes leitet sich her vom griechischen Wort Pentekoste, fünfzig, einer Symbolzahl für Vollendung. Für uns Christen ist dieses Fest die Vollendung von Ostern: die Ausgießung des Heiligen Geistes.
Die meisten von uns werden heuer mit dem Pfingstfest allerdings das „Ende des Lockdowns“ und: „Endlich wieder hinausgehen!“ verbinden. Das ist verständlich und gut. Diese Hoffnung können wir aber mit dem christlichen Pfingstfest verbinden: auch an ihm sind Tore aufgetan worden!
Die Evangelien und die Apostelgeschichte berichten, dass sich nach der Auferstehung Jesu die Freunde Jesu hinter verschlossenen Türen gesammelt und versammelt haben. - Und dann das, was wir als Lesung gehört haben: Menschen „aus allen Völkern unter dem Himmel… waren fassungslos vor Staunen.“ Die Botschaft des Christentums regt auf. Die Botschaft von Pfingsten, die die Apostel verkünden, ist die Botschaft von Ostern: der Geist Gottes, der Geist der Schöpfung, ist auch der Geist der Neuschöpfung, er macht lebendig.
Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche: die Apostel öffnen die Türen, treten an die Öffentlichkeit und verkünden die Botschaft, dass Jesus lebt und uns Anteil an seinem neuen Leben gibt.
- Bischof Weber hat dieser Botschaft mit seinem Leitspruch „Evangelizare pauperibus“, „Den Armen der Frohe Botschaft verkünden“ gedient und dadurch Türen aufgetan, Zugänge eröffnet:
durch seine Herzlichkeit, seine unverwechselbare Stimme, seine Besuche in allen Pfarren unseres Landes, sein „Bei den Leuten-Sein“, seine ökumenischen Initiativen… wir könnten diese Liste weiterführen.
Ich durfte vor einem Jahr am Tag vor seinem Begräbnis mit den Priestern, die wegen der coronabedingten Beschränkungen nicht bei der Beisetzung hier in der Bischofsgruft im Grazer Dom dabei sein konnten, die hl. Messe feiern und habe an das geistliche Vermächtnis von Bischof Johannes, ‚„Spuren“ für den weiteren Weg unserer Diözese‘ wie er gesagt hat, erinnert:
- „Christus beim Namen nennen und beim Wort nehmen!“ Vor allen strukturellen, organisatorischen, wirtschaftlichen, praktischen Fragen muss bedacht werden, wie unsere Kirche in Beziehung zu Christus steht. „Ihn beim Namen nennen“, heißt, dass unsere erste Aufgabe die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi ist. Hören auf das Wort Gottes ist die Voraussetzung für unser Beten und Arbeiten. Es muss unsere Sorge bleiben, wie und wo die Menschen in unserem Land Orte der Begegnung mit dem Heiligen finden können – sowohl im Gottesdienst als auch in den Armen - wir dürfen ihn „beim Wort nehmen:“ – in den Armen begegnen wir Christus.
- „Christsein an den Orten des Lebens“: Eine Überlebensfrage für die Kirche ist, ob es gelingt, die Spaltung zwischen dem Christsein und dem Alltag unseres Lebens in Familie, Beruf, Freizeit, Kultur, Politik zu überwinden, unsere Lebenskultur mit unserem Glauben wieder in eine fruchtbare Verbindung zu bringen. „Christen leben anders“ war einmal ein Leitwort. Kann man aus unserem alltäglichen Leben, Reden, Tun - in unseren Wohnungen, im Umgang mit den Nachbarn, mit politisch Andersdenkenden, auf dem Arbeitsplatz, im Urlaub, beim Sport erkennen, dass wir uns an Jesus Christus orientieren, mit ihm leben?
- „Geistliche Berufe halten den Himmel offen!“: Zu den Wiederentdeckungen der vergangenen Jahrzehnte gehört die Erkenntnis, dass der Geist Gottes der Kirche eine Vielfalt von Begabungen und Berufungen schenkt. Das Anliegen von Bischof Weber war und bleibt, dass wir alle – die Laien, Priester, Ordensleute – hellhörig sind für diesen Ruf. Die Kirche braucht sicher auch die sogenannten „Geistlichen Berufe“, die derzeit einen Wandel durchmachen. Auf den Ruf Gottes und die „Zeichen der Zeit“ aufmerksam sein, schließt ein, ein Klima für diesen sich abzeichnenden Wandel zu fördern und neue Wege zu gehen - aber auch junge Menschen zu ermutigen, sich ernsthaft zu fragen, ob das Vorbild, das uns der Bischof gegeben hat, für sie ein Weg des Lebens wäre!
- Bischof Weber musste in den 32 Jahren, in denen er die steirische katholische Kirche geleitet hat, auch schwierige Phasen durchmachen: die Öffnung der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist nicht konfliktfrei verlaufen. Und wir wissen, dass er als Bischof darunter auch gelitten hat.
Aber mit dem ihm eigenen Vertrauen hat er sich für den Dialog - in der Kirche und über die Grenzen der Kirche hinaus - eingesetzt, sich bemüht, den Geist der Brüderlichkeit – so konnte man damals noch sagen – also den Geist der Geschwisterlichkeit zu fördern. Wir haben mit ihm vor 40 Jahren - Ende Juni 1981 - einen steirischen Katholikentag begangen, der pfingstlichen Geist in die Stadt und das Land gebracht hat. Ein Tag der Steiermark, ein Papstbesuch in Mariazell und die II. Europäische Ökumenische Versammlung sind gefolgt.
In den vergangenen Tagen hat in Seggau eine weitere Folge der „Pfingstdialoge Geist & Gegenwart“ stattgefunden. Heuer ist es um das Thema gegangen: was bedeutet die Pandemie für Europa. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, einer der Nachfolger von Johann Weber als Pfarrer in Graz St. Andrä, hat seinen Beitrag unter das Wort gestellt: „Ihr, das Salz. Christliche Spiritualität für einen Geschmack an Europa“. Glettler hat den Satz aus der Bergpredigt: „Ihr seid das Salz der Erde“ als einen programmatischen Ruf zur kritischen Reflexion dessen gedeutet, was der Auftrag Europas ist, und zu einer anstehenden Weiterentwicklung, wie wir als Christen unsere Sendung zu verstehen haben.
In diesem Bild liegt ein Trost: Salz ist auch in geringer Menge Würze und lebensnotwendig. „Eine schöpferische Minorität kann zum Segen für viele werden.“ Salz ist aber auch eine Zumutung: „Salz-Sein meint eine radikale Selbst-Investition“, ein Dasein-Für und eine grundsätzliche Bereitschaft, unsere Lebenswelten im Geist, im Geist Jesu Christi mitzugestalten.
Im Galaterbrief verweist Paulus auf das, was der Geist hervorbringt, wenn wir bereit sind, uns als Salz der Erde in den Sauerteig unserer Welt einzumischen: „Liebe, Freude, Frieden, Langmut; Freundlichkeit; Güte und Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22f). All das sind Früchte des Geistes: Im Leben und Wirken von Bischof Weber sind uns viele solcher Früchte gegeben worden. Danken wir Gott dafür, aber auch unserem heimgegangenen Altbischof.
Amen. Halleluja.