Das Fest der Vollendung von Ostern – Pfingsten
Pfingsten bedeutet für viele vor allem ein verlängertes Frühlingswochenende. „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen“, so beginnt Johann Wolfgang von Goethe 1793 sein Reimepos Reineke Fuchs,
„Pfingsten, das liebliche Fest, war gekommen,
es grünten und blühten Feld und Wald;
auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken
übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel,
Jede Wiese sprosste von Blumen in duftenden Gründen.
Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.“
170 Jahre vor Goethe hat der Jesuit Friedrich von Spee die gleichen Bilder in seinem Osterlied „Die ganze Welt, Herr Jesu Christ, in deiner Urständ fröhlich ist“[1] aufgegriffen: als Bild für das Neuwerden der Welt durch die Auferstehung Christi.
- Das Wort Pfingsten leitet sich her vom Wort Pentekoste, fünfzig. Diese Zahl 50 – 7 x 7 + 1 – ist ein Symbol der Vollendung. Für uns Christen ist dieses Fest die Vollendung von Ostern: die Ausgießung des Heiligen Geistes.
Die meisten von uns werden heuer mit dem Pfingstfest allerdings das „Ende des Lockdowns“ und: „Endlich wieder hinausgehen!“ verbinden. Das ist verständlich und gut. Diese Hoffnung können wir aber mit dem christlichen Pfingstfest verbinden: auch an ihm sind Tore aufgetan worden!
Die Evangelien und die Apostelgeschichte berichten, dass sich nach der Auferstehung Jesu die Freunde Jesu hinter verschlossenen Türen gesammelt und versammelt haben, bzw. nach Galiläa zurückgegangen sind: froh über die Erfahrung, dass Jesus sich ihnen gezeigt hat, aber ratlos, was nun geschehen soll.
Und dann das, was wir als Lesung gehört haben: Menschen „aus allen Völkern unter dem Himmel… waren fassungslos vor Staunen.“ Die Botschaft des Christentums regt auf. Die Botschaft von Pfingsten, die die Apostel verkünden, ist die Botschaft von Ostern: der Geist Gottes, der Geist der Schöpfung, ist auch der Geist der Neuschöpfung, er macht lebendig; der Geist Gottes ist der Geist neuen Lebens.
- Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche: die Apostel öffnen die Türen, treten an die Öffentlichkeit und verkünden die Botschaft, dass Jesus lebt und uns Anteil an seinem neuen Leben gibt.
Durch den Geist, den sie empfangen haben, haben sie den Auftrag des Auferstandenen verstanden: „Der Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch!“ Diese Botschaft des Friedens gilt allen Menschen. Ihretwegen gibt es Kirche. Christus, dem Licht aller Völker, LUMEN GENTIUM, hat die Kirche und haben wir zu dienen.
Der Geist Gottes hält das Wort Gottes lebendig, macht es verständlich in vielen Sprachen. Durch den Geist redet Christus selbst die Menschen an, durch den Geist weckt er den Glauben, spendet er die Sakramente, hält er die Kirche jung. Der Geist Gottes verleiht dem auferstandenen Christus Gegenwart.
- In den vergangenen Tagen hat in Seggau eine weitere Folge der „Pfingstdialoge Geist & Gegenwart“ stattgefunden. Dieser Titel ist inspiriert durch den Namen der leider längst eingestellten Zeitschrift „Wort und Wahrheit“, die das Wiedererstehen unseres Staates und die Erneuerung der Kirche nach 1945 begleitet hat.
Das „Und“ zwischen „Geist & Gegenwart“ ist nicht ein nebensächliches Bindewort, sondern zeigt auf die Herausforderung und Zuordnung beider in Beziehung gesetzten Dimensionen – „Wort und Wahrheit“, „Denken und Glauben“ – „Geist & Gegenwart“.
Heuer hat der Dialog dem Thema gegolten: was bedeutet die Pandemie für Europa. Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler, einer der Hauptgesprächspartner, hat seinen Beitrag unter das Wort gestellt: „Ihr, das Salz. Christliche Spiritualität für einen Geschmack an Europa“. Glettler versteht den Satz aus der Bergpredigt: „Ihr seid das Salz der Erde“ als einen programmatischen Ruf zur kritischen Reflexion dessen, was der Auftrag Europas ist, und zu einer anstehenden Weiterentwicklung, wie wir als Christen unsere Sendung zu verstehen haben.
In diesem Bild liegt ein Trost: Salz ist auch in geringer Menge Würze und lebensnotwendig. „Eine schöpferische Minorität kann zum Segen für viele werden.“ Salz ist aber auch eine Zumutung: „Salz-Sein meint eine radikale Selbst-Investition“, ein Dasein-Für und eine grundsätzliche Bereitschaft, unsere Lebenswelten im Geist, im Geist Jesu Christi mitzugestalten.
Das Ereignis des Pfingstfestes in Jerusalem mit der Menschenmenge aus allen Nationen erinnert uns an große kirchliche Ereignisse, für die wir dankbar sind – Katholikentage, Weltjugendtage, Papstbesuche, Wallfahrten: sie sind Ermutigung und Zeichen, dass die Botschaft Christi auch heute Menschen leitet. - Das Bild vom Salz lässt uns dagegen eher an den leeren Petersplatz von vor einem Jahr denken: nur der Papst war da und hat gebetet und seine Botschaft verkündet. Ein ebenso beeindruckendes Bild!
Im Galaterbrief verweist Paulus auf das, was der Geist hervorbringt, wenn wir bereit sind, uns als Salz der Erde in den Sauerteig unserer Welt einzumischen: „Liebe, Freude, Frieden, Langmut; Freundlichkeit; Güte und Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22f). All das sind Früchte des Geistes: „Jetzt grünet, was nur grünen kann, die Bäum zu blühen fangen an. Die ganze Welt, Herr Jesus Christ, in deiner Urständ fröhlich ist.“
Amen. Halleluja.
[1] s. Friedrich von Spee, 1623, Gotteslob Nr. 332; „Urständ“ = Auferstehung;