Erhebt eure Häupter!
Mit diesem Sonntag beginnt der Advent und damit ein neues Kirchenjahr. Die Wochen vor Weihnachten haben in der Kirche – im Unterschied zum sonst üblichen, aber heuer durch die Pandemie verhinderten Getriebe - ihren eigenen Charakter – wir hören das Wort Jesu: „Nehmt euch in acht!... Wacht auf und betet!“; wir begegnen Johannes dem Täufer, der zur Bekehrung aufruft: „Bereitet dem Herrn den Weg!“ Die vertrauten Adventlieder rufen uns biblische Bilder in Erinnerung: „Tauet Himmel, den Gerechten!“, „O Heiland, reiß die Himmel auf!“, „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“; und es dominiert die Farbe der Buße, violett.
- Viele adventliche Veranstaltungen, Bräuche und Festlichkeiten werden heuer durch den gerade erst ausgerufenen Lockdown nicht möglich sein – weder in der Kirche noch außerhalb.
Auch wenn wir in vergangenen Jahren wiederholt unsere Bedenken gegenüber der Säkularisierung des Advents vorgebracht haben, sind wir angesichts der nach wie vor umgehenden Epidemie über die jetzt nötigen Einschränkungen natürlich nicht froh. Auf jeden Fall bekommt der Advent heuer einen ernsteren Akzent, der dem ursprüngichen Sinn und Charakter einer Vorbereitungszeit vor Weihnachten eher entspricht.
Worauf sollen wir uns vorbereiten? Selbstverständlich ist es wichtig, Vorbereitungen für das Fest zu treffen, dazu gehören Einkäufe, Überlegungen, wie man einander Freude bereiten könnte, und dass man sich Zeit nimmt, füreinander da zu sein. Unsere Vorbehalte gelten dem, dass der eigentliche Anlass des Festes mehr und mehr vernebelt, verschwiegen, umfunktioniert wird. Aber sogar, wenn Weihnachten nur als Geburtsfest Jesu begangen wird - mit „Kripperlschauen“, „Stille Nacht, heilige Nacht!“ und den schönen Bildern vom Stall in Bethlehem -, wäre das eine Verkürzung. Wir sollen im Advent und an Weihnachten nicht nur zurückschauen.
- „Advent“ heißt wörtlich übersetzt „Ankunft“. Gemeint ist nicht nur eine Erinnerung an die Geburt Jesu vor über 2000 Jahren, sondern auch die Ankunft des Gottessohnes heute bei jedem von uns. Ihm sollen wir begegnen, der das Ziel und der Vollender der Welt und unseres Lebens ist.
Der Advent wird im Tagesgebet als „Weg der Gerechtigkeit“ bezeichnet, auf dem wir „Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten.“ Christus können wir begegnen, wenn wir sein Wort hören und bedenken, wenn wir uns ihm betend zuwenden, wenn wir die heiligen Sakramente empfangen. Wir begegnen ihm aber auch in Menschen, die unsere Hilfe brauchen: erinnern wir uns an das Wort Jesu aus der Gerichtsrede: „Ich war hungrig, durstig, fremd, nackt, krank oder im Gefängnis… Was ihr für einen dieser Geringsten (nicht) getan habt, das habt ihr mir (nicht) getan!“ (vgl. Mt 25,31-46).
Die Pandemie hat uns durch die hohe Zahl von Todesfällen – auch aus unserem Bekanntenkreis – mit der Frage konfrontiert, die wir gerne von uns wegschieben: Was ist das Ziel unseres Lebensweges? Ist uns überhaupt noch im Glauben bewusst, dass am Ende unseres irdischen Lebens Christus auf uns zukommen wird? Das Evangelium des ersten Sonntags im Advent stellt uns die ernste Frage: Sind wir zu dieser Begegnung bereit?
- Passt das zur „Adventstimmung“, die wir gerne pflegen möchten?
Das vorhin verkündete Evangelium schenkt uns aber auch die ermutigenden Worte Jesu: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter!“
Diese Ermutigung wird uns zugesprochen, weil der, der am Ende der Zeit, am Ende der Zeit der Welt, am Ende unseres Lebens kommt, der „Menschensohn“ sein wird, Jesus, der sich als „die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes“ (Tit 3,4) erwiesen hat.
Der Advent ist die Zeit, in der die Freude über das Kommen Christi zu uns wachsen soll, und wir sollen ihm, unserem Herrn, den Weg bereiten, Hindernisse aus dem Weg räumen, uns für sein Kommen öffnen. In der Offenbarung des Johannes steht das schöne Wort Christi, des Menschensohns: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn einer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und Mahl mit ihm halten und er mit mir“ (Offb 3,20). Hören wir seine Stimme: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter!“
Amen.