Gehen wir gemeinsam und solidarisch voran!
1. In einer unsteten Zeit sprach unser Gott vor 2000 Jahren sein Wort: Jesus ist fortan der, der mitten in allem, was einem so widerfährt und das es auszuhalten gibt, da ist und Orientierung gibt. Die Botschaft von Weihnachten, nein mehr, das Ereignis von Weihnachten kann uns nicht gestohlen werden. "In dieser Zeit, in der Menschen die Ungewissheit zu schaffen macht, werden keine Besserwisser gebraucht. Es ist die Stunde derer, die solidarisch die Ungewissheit mit der Welt aushalten und darin Festigkeit zeigen. Das schafft eine neue Ausgangssituation für die Christenheit"[1]. Das, was die frühere Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, in einem jüngst erschienenen Büchlein allgemein formuliert hat, wird uns Christen durch das heutige Fest quasi in die Wiege gelegt.
2. Was wir eben im großartigen Beginn des Evangeliums nach Johannes verkündet bekamen, kann beinahe 1:1 ins Heute übertragen werden. ER ist Mensch geworden - hinein in Unsicherheit, Nichtweiterwissen und Sehnsucht. So wird durch die Menschwerdung Gottes deutlich: ER gibt in allem, das auf uns einprasselt, das uns hilflos macht, das uns auseinandertreibt und in Gefahr bringt, nur mehr das Eigene zu sehen und sonst nichts gelten zu lassen, Orientierung. ER ist unser Licht, das uns ermöglicht, im Dunkel dieser Welt die nächsten Schritte zu setzen. "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. [...] Allen [..], die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden." Anders ausgedrückt - und das erleben wir derzeit oft - dort, wo wir uns mit unseren unterschiedlichen Interessen und Meinungen nicht gemeinsam am selben Ziel ausrichten - für uns Getaufte ist dies Christus - laufen wir Gefahr, um uns selbst zu kreisen. Freiheit und Selbstbestimmung verkommen zum Produkt einer "Ich-AG". Nicht nur in der Gesellschaft besteht diese Gefahr, auch innerhalb der Kirche ist dies zu bemerken und unser Papst erinnert immer wieder daran, wenn er etwa von der Notwendigkeit spricht, an die - existenziellen - Ränder zu gehen. Gerade deswegen betrachte ich es als besonderes Weihnachtsgeschenk unserer politischen Verantwortungsträger, dass alle Klubobleute der im Landtag vertretenen Parteien, der Landeshauptmann und sein Stellvertreter in den heutigen Zeitungen ein deutliches Bekenntnis abgelegt haben zu einer Vertiefung des Miteinanderredens, des Zuhörens und des Dialogs. "Vergelt's Gott!" für dieses große Zeichen für unsere Gesellschaft und die Menschen, die hier leben.
3. Gehen wir also gemeinsam und solidarisch weiter! Weil Du ebenso wie ich geliebt wirst von Gott, der zu Weihnachten einer von uns geworden ist. Weil wir uns alle eingestehen müssen, dass wir nicht vollkommen sind, können und dürfen wir zu Fehlern stehen, um Verzeihung bitten und auch Vergebung gewähren. Ohne Hintergedanken, ohne Dich "über den Tisch ziehen zu wollen", weil ich nur auf diese Weise meine Scherflein ins Trockene bringen könnte. Angesichts Seines Lichts, das in der Welt leuchtet, ist eindeutig klar, dass ich nicht der "Nabel der Welt" sein kann. Nur im gemeinsamen Suchen - von unterschiedlichen Standpunkten aus - gelangen wir zur Mitte, erreichen wir Gott! So ist es uns möglich, Dinge auszuhalten, die uns gegen den Strich gehen und wir stehen nicht eingereiht in die Phalanx derer, die alles schon den Bach runtergehen sehen und dies auch noch lautstark zum Ausdruck bringen. Ich bin dann auch davor geschützt, alle in einen Topf zu werfen, weil ich jede und jeden als einmaligen Menschen anerkenne. Seit Weihnachten gilt: "Nicht wie du mir, so ich dir, sondern: Wie Gott mir, so ich dir!"
4. So zu leben bedeutet zugleich Vertrauen zu haben, dass wir einander neu zumuten dürfen - auch hier bei uns. Denn: "Wo Menschen sich nicht mehr vertrauen, sich auf niemanden verlassen können und wo niemand glaubwürdig ist, da löst sich das Zusammenleben auf"[2]. Dies ist gerade in unseren Tagen neu in Erinnerung zu rufen, in denen das Vertrauen in die Politik - Umfragen zu Folge - gesunken ist.
5. Trotz der vielen Fragen, die es immer gibt, feiern wir Weihnachten. Trotz allem, das unsere Gesellschaft belastet: assistierter Suizid, Generationengerechtigkeit, Klimakrise, Pflege, Pandemie, Migration, Meinungsverschiedenheiten in Familien und Freundschaften, unterschiedliche Ansichten zur Zukunft der Kirche und so weiter... Mitten in dem, das uns die Aussicht verdunkelt, feiern wir das Licht, das in die Welt gekommen ist, um uns Hoffnung zu bringen. Orientieren wir uns an IHM, dem Wort Gottes, das Fleisch geworden ist. Halten wir in seinem Licht gemeinsam durch und gehen wir mit Gelassenheit weiter - dankbar für dieses große Fest, durch das uns versprochen ist, dass wir uns mit IHM unter uns vor nichts fürchten müssen.
[1] Annette Schavan, geistesgegenwärtig sein. Anspruch des Christentums, Ostfildern 2021, 24.
[2] Manfred Scheuer in einem Interview mit der Linzer Kirchenzeitung: https://www.kathpress.at/goto/meldung/2097583/scheuer-warnt-vor-folgen-der-vertrauenskrise-in-gesellschaft (22.12.2021)