Gott selber kommt
„LUMEN GENTIUM – Ein Licht, das die Völker erleuchtet!“ So hat der greise Simeon, ein Frommer aus dem jüdischen Volk, über das Kind, das in den Tempel gebracht worden ist, geweissagt. Simeon deutet an, was wir Christen im großen Credo bekennen: „Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott.“
- Das heutige Fest, 40 Tage nach Weihnachten, heißt auf lateinisch: „PRAESENTATIO DOMINI“, „DARSTELLUNG DES HERRN“, wir könnten auch sagen: Fest der Übergabe, der Weihe Jesu an Gott. In den Kirchen des Ostens wird das Fest „Hypapanté tou kyríou“, „Fest der Begegnung des Herrn“, genannt.
Jesus begegnet zum ersten Mal dem Tempel. Die Evangelien berichten über Jesu Beziehung zu dem, von dem der Zwölfjährige sagt: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49b). - Erinnern wir uns an die Relativierung der Bedeutung des Tempels im Gespräch Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen: „Die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit“ (Jo 4,23). Denken wir auch an die Tempelreinigung durch Jesus (Lk 19,45-48; Joh 2,13-25) und an die Ankündigung der Zerstörung des Tempels (Mt 24,1f; Lk 19,41-44).
Schon bei den Propheten wird darüber nachgedacht, was es bedeutet, wenn „plötzlich der Herr zu seinem Tempel kommt“ – wir haben die Lesung aus dem Buch Maleachi gehört: „Wer erträgt den Tag, an dem er kommt, wer kann bestehen, wenn er erscheint?“ Das wäre die Stunde der Wahrheit, der Tag des Herrn als Tag des Gerichts.
Aber jetzt kommt „der Bote des Bundes“ als Kind und Simeon und Hanna, zwei gläubige Vertreter des Gottesvolkes, sind da und „preisen Gott und sprechen über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warten.“ Und der alte Simeon erkennt: in diesem Menschenkind ist die Fülle alles dessen gegeben, was das Volk Gottes mit dem Tempel verbunden hat: Gottes Gegenwart. Er kannte die Verheißung des Propheten Malachias: Gott selber kommt in dieses Haus.
- An den vergangenen Sonntagen haben wir von der Ablehnung Jesu in seiner Heimat gehört, weil er für seine Verkündigung an das Wirken der Propheten Elia und Elischa bei den Heiden erinnert hat: seine Sendung ist, die Frohbotschaft zu den Völkern zu bringen.
Schon in der Kindheitsgeschichte bei Lukas – wie uns heute im Evangelium verkündet worden ist - erkennt der greise Simeon im Tempel, dass das Kind, das er in den Händen hält, Jesus, das Licht zur Erleuchtung der Völker ist. Auch am Anfang des Matthäusevangeliums wird in der Erzählung von den Sterndeutern aus dem Osten diese Mission Jesu deutlich: die Vertreter der Menschheit in der großen Vielfalt der Kulturen, Sprachen und Religionen finden in dem menschgewordenen Sohn Gottes die Erfüllung ihrer Suche nach dem Heil.
Und wie bei Matthäus Jesus von Anfang an wegen dieser seiner Sendung verfolgt wird, kündet auch Simeon an, dass Jesus „ein Zeichen sein wird, dem widersprochen wird“. Der Weg der Passion zeichnet sich schon bei der Darstellung Jesu im Tempel ab.
- Heute aber feiern wir die Darbringung, die Weihe Jesu im Tempel in Jerusalem - und dieser Festtag soll auch uns zu einer „Begegnung mit dem „Heiligen Gottes“ führen.
Vom evangelischen Pfarrer und Dichter Paul Gerhard stammt das schöne Weihnachtslied, das wir mitbeten sollten:
„Ich steh an deiner Krippe hier, o Jesu, du mein Leben. Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben! Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und lass dir‘s wohl gefallen.“
Zeichen dieser Hingabe sind die Kerzen, die wir heute überbracht und geweiht haben: sie mögen als stummes Gebet in diesem Jahr bei den Gottesdiensten und in unseren Häusern leuchten.
Was heute im Evangelium verkündet worden ist, erinnert uns an unsere Taufe: An der Osterkerze, dem Symbol für Christus, den Auferstandenen, wurde unsre Taufkerze entzündet. Auch wir sind Gott übergeben, Gott geweiht worden.
Der heutige Lichtmesstag ist auch der „Tag des gottgeweihten Lebens“. – er lenkt unseren Blick auf Menschen, die einer Ordensgemeinschaft angehören. Die Kirche, unsere Gemeinden, wir brauchen solche lebendigen Erinnerungen, die zeichenhaft und alltäglich in der Nachfolge Jesu ihre Hingabe an Gott und die Menschen leben.
Die Kerze verbreitet nicht ein grelles Licht, sondern lässt auch Schatten zu, und gibt doch Orientierung; sie erinnert an das Wort Jesu in der Bergpredigt: „Ihr seid das Licht der Welt! Euer Licht soll vor den Menschen leuchten!“ Unser Licht kommt von ihm, der Sonne der Gerechtigkeit. Und wie der Mond dürfen wir sein Licht in unsere Welt mit ihren Finsternissen hineinleuchten. Das ist unsere Berufung und Sendung.