Aufnahme Mariens in den Himmel
Wer mit offenen Augen durch die Grazer Innenstadt geht, wird entdecken, dass an vielen alten Häusern Marienbilder oder Statuen angebracht sind. Viele dieser Bilder sind in der Barockzeit geschaffen worden, um sich auch öffentlich zur katholischen Kirche zu bekennen – oder vielleicht auch, um sich in der Ära der Gegenreformation vor inquisitorischen Maßnahmen, die es leider auch gegeben hat, abzusichern. Die meisten dieser Darstellungen waren aber Ausdruck einer tief verwurzelten und innigen Frömmigkeit. Die Ausdrucksformen des Glaubens haben sich im Lauf der Zeit gewandelt, manches ist abgekommen, anderes hat andere Formen angenommen, neue Zeichen und Bräuche haben sich herausgebildet und manches ist – schon totgesagt -wiedererstanden – z.B. die „Wallfahrt“.
- Heute haben vermutlich viele Menschen unsere alten Marien-Heiligtümer aufgesucht, froh, dass die Wallfahrt nach den epidemiebedingten Einschränkungen wieder möglich ist – wie man auch dankbar ist, dass es heuer wieder die Fronleichnamsprozession gegeben hat.
In den Jahren vor der Corona-Pandemie hatte es ja einen regelrechten Boom von Wallfahrten gegeben, verschiedene Pilgerrouten und Pilgerwege sind wiederentdeckt oder neu beschrieben worden, sogar die evangelische Kirche – sonst der Wallfahrt nicht zugetan - hat solche Wege angegeben, freilich nicht zu Marienheiligtümern, sondern als „Lutherweg“, als „Europäische Kulturroute der Reformation“, oder „Weg des Buches“ – auch „Bibelschmugglerweg“ genannt. Man hat damit ein interreligiöses Symbol aufgegriffen.
Denken wir an die jüdischen Pilgerfeste nach Jerusalem oder den islamischen Haddsch nach Mekka: Pilgern, Wallfahren, das gemeinsame Gehen sind urmenschliche und religiöse Zeichen des Lebens, Symbole für unseren Lebensweg, ausgerichtet auf ein Ziel. Pilger sind unterwegs mit der Hoffnung, neue Erfahrungen geschenkt zu erhalten: viele suchen Selbsterfahrung (und diese wird einem am ehesten zuteil, wenn man offen wird für andere). - Gläubige Menschen hoffen auf einen Gnadenerweis, auf Situationen und Orte, wo „der Himmel über ihnen offen ist“.
- Kommen wir zurück zum heutigen Festtag der Aufnahme Mariens in den Himmel, einen Feiertag, der als „typisch katholisch“ gilt, seine Wurzeln allerdings in der Ostkirche hat.
Seit dem 6. Jahrhundert ist am 15. August der Weihetag der Getsemani-Kirche in Jerusalem begangen worden, in der man auch der „Entschlafung Mariens“ gedacht hat. Die Himmelfahrt Jesu, in der Gott „den Menschen erhöht“ hat, die Seligpreisung Mariens im Evangelium und die Auferstehung der Toten, die wir auch im Credo bekennen: das hat zur Glaubenserkenntnis geführt, dass auch Maria nach ihrem Tod in den Himmel aufgenommen worden ist. Schon seit dem 8. Jahrhundert wird am Tag des Gedenkens an den Tod der Mutter Jesu ihre Aufnahme in den Himmel gefeiert. Am Allerheiligentag 1950 hat Papst Pius XII. diese Glaubenslehre feierlich verkündet.
Immer mehr ist es der Kirche und ihren Gläubigen bewusst geworden, dass wir auch von Maria und den anderen, die in Christus vollendet sind, glauben dürfen, was die Frohe Botschaft von Ostern verkündet, dass Aufnahme in den Himmel nicht heißt, dass Christus und seine Heiligen uns verlassen. Auferstehung und Erhöhung in den Himmel bedeutet das „Platz-Haben des Menschen in Gott“ und, dass Christus und seine Heiligen in neuer Weise bei uns, in der Weise Gottes uns nahe sind. Nicht nur Christus, auch Maria und die Heiligen bleiben uns in Liebe verbunden.
- Diese Glaubenseinsicht ist von Künstlern in großartigen Werken dargestellt worden, auch in den „Gnadenstatuen“ in den Marienwalfahrtsorten, aber auch in einfachen, oft naiven Andachtsbildern.
Die Ikonen der Ostkirche sind den Gläubigen Fenster in die Herrlichkeit Gottes. Die Darstellungen der Krönung Mariens durch den dreieinen Gott in Seckau und auf unserem Hochaltar, die Mariä Himmelfahrtsbilder in der Grazer Stadtpfarrkirche und in der Landhauskapelle, das Wallfahrtsbild des Pietro de Pomis in der Kirche Mariahilf, das kleine Bild der „Mater dolorosa“ in der Marienkapelle – der Kinderkapelle - hier im Dom…: alle diese Bilder sollen nicht Denkmäler für vergangene Ereignisse sein, sondern uns zur andächtigen Begegnung mit Maria, die von ihrem Sohn in den Himmel aufgenommen worden ist, hinführen.
Ausdruck dieser uns von Gott geschenkten Nähe der Heiligen ist die Wallfahrt an Orten, wo man im Namen Christi versammelt „den Himmel offen“ erfährt; ist vor allem die Anrufung Mariens in Litaneien und Liedern und die liturgische Feier dieses Tages, zu der wir jetzt versammelt sind.