Advent: Gott kommt uns entgegen
Seit Wochen werden wir angesichts des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Möglichkeit eines „blackout“, eines Ausfalls der Stromversorgung hingewiesen: kein Strom – d.h. kein Licht in den Wohnungen und Stiegenhäusern, in Liften, auf Straßen, in Geschäften, kein Radio und Fernsehen, Probleme mit der Heizung, in Küchen… Die Älteren unter uns haben das schon erlebt, für die meisten von uns ist ein solches Szenario kaum vorstellbar. Finsternis macht Angst.
- Wir haben heute am Beginn dieses Gottesdienstes bewusst unsere Kirche nur notdürftig beleuchtet. Wir wollen natürlich niemand Angst machen.
Aber - am Beginn des Advents sollen wir uns darauf besinnen, dass es nicht nur durch einen Stromausfall finster werden kann – sondern auch, wenn Menschen die Freude am Leben verlieren, ihnen die Stärkung durch die Hoffnung abgeht, wenn Streit Menschen entzweit in Familien, in der Nachbarschaft, wenn Misstrauen die Beziehungen vergiftet im Kleinen – von Mensch zu Mensch - und im Großen - zwischen Parteien, Völkern und Staaten. Man spricht von einer „winterlichen Zeit“ – nicht nur weil das der Jahreszeit entspricht, sondern auch, wenn das Klima zwischen uns Menschen frostiger wird.
- Es ist ein altes Sprichwort, eine Menschheitsweisheit, die Konfutse, der im 6. Jahrhundert (551-479) vor Christus in China gelebt hat, formuliert haben soll: „Es ist besser ein Licht zu entzünden, als über die Finsternis zu klagen.“
Etwa 200 Jahre bevor der chinesische Philosoph angeblich dieses Sprichwort geprägt hat, hat der biblische Prophet Jesaia (8.-7. Jh. vor Chr.) die Botschaft verkündet: „Das Volk, das in der Finsternis lebt, schaut ein helles Licht“ (Jes 9,1). Wir Christen verstehen diese Prophezeiung als Hinweis auf das Kommen, den Advent, die Ankunft Jesu Christi.
Im Gottesdienst der Kirche erleben wir zeichenhaft dieses Hell-Werden: in der Osternacht, wenn die Osterkerze – das Symbol für Christus, den Auferstandenen – in die Kirche gebracht wird, und wir daran unsere Kerzen entzünden; und jetzt am Beginn des Kirchenjahres, im Advent, wenn der Adventkranz geweiht wurde und zunächst die erste Kerze leuchtet, dann die anderen und schließlich an Weihnachten viele Lichter auf dem Christbaum erstrahlen.
In der Liturgie des Advents werden uns auch Prophetenworte verkündet, die uns daran erinnern, dass wir selber viel Finsternis um uns verbreiten, dass uns aber Gott selbst sein Licht entzündet. Diese doppelte Botschaft sollen wir aufnehmen: zu unserer Bekehrung und zur Erneuerung unserer Hoffnung auf Frieden, Versöhnung und Licht.
- Im Advent bereiten wir uns auf das Fest der Geburt Christi vor. Advent heißt „Ankunft“: Gott kommt uns entgegen, er will uns begegnen und aufrichten, Hoffnung, Licht, Erleuchtung schenken.
Es wäre an der Zeit, die geistliche Dimension des Advents wieder zu gewinnen. Wir sollen uns bemühen, einander zu Weihnachten Freude zu bereiten, Voraussetzung dafür ist aber, dass wir selber den Grund dieser Freude wiederentdecken und uns durch das Kommen, Dasein, Begleitet-Werden durch Christus aus unseren Verfinsterungen und Depressionen herausführen lassen.
Das adventliche Brauchtum, das von den Kirchen bewahrt wird, kann uns dabei verhelfen:
- „Seid also wachsam!“ sagt uns das Evangelium des Ersten Adventsonntags: Der Advent sollte keine Zeit der Hektik, sondern eher eine Gelegenheit zur persönlichen Besinnung werden: vielleicht kommen Sie wieder einmal dazu, in der Bibel zu lesen!
- Der Adventkranz will uns auf das Christfest ausrichten, wenn wir beim heimlichen Licht der Kerzen zum persönlichen und gemeinsamen Beten und Singen zusammenkommen.
- Seit Jahren werden wir angeregt, auch auf Nachbarn zuzugehen und diese zu einer häuslichen Adventfeier, zum Beispiel zur „Herbergssuche“, einzuladen. Man hat das auch „Hauskirche“ genannt.
- Die Adventgottesdienste an den Sonntagen, aber auch unter der Woche – die Roraten –, und Adventkonzerte können uns bei der Gestaltung der Vorbereitung auf Weihnachten helfen.
- Der Advent soll uns auch zur Aufmerksamkeit füreinander motivieren. Wir sind gebeten, auch der Notleidenden zu gedenken.
Im Epheserbrief (5,8.14) hören wir: „Einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichts… Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten und Christus wird Dein Licht sein.“