Herzlich willkommen Melissa Dermastia!
Bereits als Teenagerin begeisterte sie sich für die Orgel, später folgte das Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Frau Dermastia war als Erasmusstipendiatin in Paris und hat ihre Bachelor- und Masterstudien Instrumentalpädagogik Orgel und Klavier, Chorleitung und Frühe Ensemblemusik mit Auszeichnung abgeschlossen. Diese durch Pädagogikstudien gewonnenen Kenntnisse haben sich nützlich für die Arbeit mit Chören aller Altersgruppen erwiesen. Die stilistische Vielfalt reicht von der Renaissance über die Wiener Klassik bis hin zur zeitgenössischen Musik und zum Pop- und Gospelbereich. Als Domkapellmeisterin sieht sie sich vorrangig als eine Visionärin.
- Sie haben mehrere musikalische Studien absolviert. Was hat Sie zur Kirchenmusik geführt?
Mein Weg zur Kirchenmusik war nicht von vornherein vorgezeichnet. Ich habe als Kind zunächst Klavierspielen gelernt und wollte später ein weiteres Tasteninstrument lernen. Das Cembalo kam für meine Teenagerohren nicht in Frage und so konnte sich die Orgel durchsetzen. Es war sehr bald für mich klar, dass ich Klavier und Orgel an der Musikuniversität in Wien studieren möchte. Das Kirchenmusikstudium wurde mir von meinem Orgellehrer empfohlen und so habe ich die Aufnahmeprüfung gemacht, ohne wirklich zu wissen, was das große Feld der Kirchenmusik eigentlich alles beinhaltet. Ich habe allerdings sehr schnell Feuer gefangen!
- Es heißt, der Weg entsteht im Gehen. Welche Lernprozesse haben sich in Ihrer bisherigen Laufbahn ergeben?
Ich glaube, dass ich noch nicht an dem Punkt angekommen bin, meine Lernprozesse rational fassen zu können, da ständig so viel zu erfahren und dazuzulernen ist. „Ausgelernt“ hat man sowieso nie!
- Was ist ihr Bild von Domkapellmeisterin? Ist sie Managerin, Visionärin, Diplomatin, …?
Ich würde sagen, dass von allem etwas dabei ist oder dabei sein muss. In erster Linie sollte man doch Visionärin sein, da nur so Neues entstehen kann und Menschen begeistert werden können. Am Ende ist es trotzdem wichtig, mit beiden Beinen am Boden zu stehen und stets im Dialog zu bleiben.
- Der Klang eines Werkes beginnt im Kopf. Wissen Sie schon beim Einstudieren, wie ein Werk zu klingen hat oder ist dies Entwicklungsarbeit?
Ich habe meistens am Beginn schon eine klare Vorstellung vom Stück und versuche, dieser Vorstellung in der Probenarbeit nahezukommen, was manchmal von allen Seiten Geduld einfordert. In der Musik ist es aber so, dass es meistens nicht nur den einen, richtigen Weg gibt. Manchmal lassen sich musikalische Abschnitte auf völlig entgegengesetzte Weisen interpretieren und da lohnt es sich, flexibel zu bleiben und verschiedene Dinge auszuprobieren. Am Ende gilt es, die für sich überzeugendste Interpretation zu finden – da kann es auch einmal im Prozess ein Umdenken geben.
- Als Dirigentin steht man hauptsächlich mit dem Rücken zum Publikum. Sind Sie mit den Gedanken auch manchmal bei diesem?
Ich denke, dass es für jede Musikerin und jeden Musiker wichtig ist, jederzeit mit den Gedanken beim Publikum zu sein. Wir müssen uns immer dessen bewusst sein, dass es unsere Aufgabe ist, mit der Musik etwas zu vermitteln und in den Menschen etwas zu bewirken. Das geht nur, wenn man Kontakt aufbaut und diese Verbindung versucht zu halten - das ist auch spürbar, wenn man mit dem Rücken zum Publikum steht.
- Finanzielle und organisatorische Planungen müssen Jahre geplant sein. Welche Schwerpunkte wird es für die Dommusik Graz in den kommenden Jahren geben?
Als erstes, größeres Domkonzert soll für alle Dommusikensembles ein Streifzug in die nordisch-baltische Chormusik stattfinden. Weiters wird es mit einer im Sommer veranstalteten Kindermusicalwoche einen Schwerpunkt im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit geben. Ein großer Höhepunkt wird natürlich die Weihe der reorganisierten Domorgel sein. Natürlich werden aber auch in Zukunft die großen oratorischen Werke nicht zu kurz kommen!
- Sie möchten auch „über den Tellerrand“ blicken. Wohin könnte der Blick gehen?
Ich finde, es ist wichtig, als Kirche gezielt Zeichen zu setzen. Im Gedenkjahr 2025 möchte ich ein Werk für Chor und Kammerensemble aufführen, das die Tagebucheintragungen von Anne Frank in den Mittelpunkt stellt. Allgemein finde ich es wichtig, Haltung zu bewahren und Unmenschlichkeiten aufzuzeigen – das darf auch in der Kirche sichtbar sein.
Dompfarrer Heinrich Schnuderl begrüßte die erste Domkapellmeisterin beim Neujahrsgottesdienst im vollen Ägydiusdom. Sie leitete die Dommusik, die Franz Schuberts G-Dur Messe zu Gehör brachte. Mit den Migliedern des Domchors sang auch eine Abordnung des Klagenfurter Domchors, der früheren Wirkstätte von Melissa Dermastia. Als Solist*innen wirkten Elisabeth Stemberg (Sopran), Mario Lerchenberger (Tenor) und Ewald Nagl (Bass).
Wir wünschen unserer neuen Domkapellmeisterin alles Gute und viel Freude an ihrer neuen Wirkstätte!
Christian Brunnthaler