Wir begegnen heute Christus
Vor 40 Tagen haben wir Weihnachten gefeiert. Die Zahl 40 hat im Kirchenjahr eine Symbolbedeutung: vierzig Tage dauert die Fastenzeit; die vierzig Tage zwischen Ostern und Christi Himmelfahrt sind der Einübung, Bewährung und Festigung unseres Glaubens an die Auferstehung gewidmet. Auch unser Glaube an die Menschwerdung Gottes bedarf der Festigung: er soll unser Leben bestimmen. Denn: „Seit Gott Mensch geworden ist, ist der Mensch, ist der Alltag des Menschen der Ort der Begegnung mit Gott“![1], wie Kardinal Kasper gesagt hat.
- Und „Begegnung – Ypapanti“ ist auch einer der Namen des heutigen Festes. Andere Bezeichnungen sind „Darstellung des Herrn – Praesentatio Christi“ - oder „Lichtmess“, bzw. als marianischer Feiertag „Mariä Lichtmess“. Tatsächlich sind es mehrere Begegnungen, die uns verkündigt werden.
Wer begegnet wem? Wo? Und was bedeutet das? Es mag ja ein alltägliches Ereignis gewesen sein, dass gläubige jüdische Eltern ihr Kind in den Tempel gebracht haben, um das vorgeschriebene Opfer darzubringen. - Alltäglich? Nicht für Eltern! Auch wenn heute Kinder zur Taufe gebracht werden, ist es für die Familien ein Fest, und sie sind Gott dankbar – sollten es jedenfalls sein -, dass ihnen ein Menschenkind geschenkt worden ist!
Auch für die Eltern Jesu war es eine besondere Begegnung, sie „staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden.“ Sie mussten staunen, was ihnen immer wieder über dieses Kind verkündet worden ist: schon von Elisabeth, der Mutter Johannes des Täufers; dann von den Hirten in Bethlehem; jetzt von der Prophetin Hanna und von Simeon im Tempel; und später werden sie noch einmal durch den zwölfjährigen Jesus daran erinnert, dass er, Jesus, eine besondere Beziehung zu dem hat, was seinem Vater gehört. Diese Begegnungen haben Maria und Josef zum Staunen geführt, und sie haben das Erfahrene in ihrem Herzen bewahrt.
- Jesus begegnet dem Tempel. Der greise Simeon erkennt, dass sich mit dem Kommen dieses Kindes eine schon vom Propheten Maleachi und anderen Sehern geahnte Begegnung Gottes mit dem Tempel in Jerusalem ereignet.
Der Tempel - der Stolz Israels, das Haus, von dem Gott verheißen hat, es sei „die Stätte, an dem sein Name wohnen soll“ (1 Kön 8,29), – dieser Tempel wird zum Ort, an den Gott selber kommt. Propheten haben dieses Kommen den „Tag Jahwes“ genannt, als Tag, an dem Gott selber die große Reinigung vornimmt. „Wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann bestehen, wenn er erscheint?“
Simeon erkennt – wie es schon Jesaja angekündigt hat (Jes 40,5; 42,6; 49,6) -, dass mit diesem Kind nicht das Feuer des Gerichtes kommt, sondern das „Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für das Volk Israel...“ Simeon spricht aber auch aus, dass diesem Kommen Gottes widersprochen werden wird, und deutet prophetisch schon die Passion an.
- Eine „Begegnung“ soll der heutige Tag aber auch für uns werden. Wir begegnen heute Christus, der uns in der Taufe mit Gott verbunden hat (Mt 5,14).
Zeichen dieses Festtages sind die Kerzen, die heute geweiht worden sind; sie sind sowohl Symbol für Christus als auch für unsere Sendung. Sie erinnern uns, dass uns bei der Taufe das Licht Christi übergeben worden ist, und dass wir durch unser Leben mit Christus in Liebe und Menschenfreundlichkeit Wärme und Licht in unsere Gesellschaft bringen sollen. - Jesus ist von seinen Eltern Gott „dargebracht“ worden. Kerzen sind Symbole der Hingabe, des Opfers.
Der Lichtmesstag ist darum vor einigen Jahren zum „Tag des gottgeweihten Lebens“ erklärt worden. Heute soll unsere Aufmerksamkeit auf jene Menschen gelenkt werden, die in einer Ordensgemeinschaft leben. Sie folgen ihrer besonderen Berufung und Sendung, Christus erfahrbar zu machen und darzustellen: Jesus, den Betenden; Jesus, der predigt, heilt; Jesus, der die Sünder versöhnt und die Kinder segnet.
Oft waren die Ordensleute „produktive Vorbilder“ und „Schrittmacher“ für die Kirche: Die Kirche braucht auch heute solche innovativen Kräfte, die durch das Beispiel ihres Lebens und durch ihr Wirken eine geistliche Unruhe in die Kirche tragen.[2] Die Ordensleute nehmen ihre Taufe ernst und erinnern uns alle an unseren Auftrag als Christen. Danken wir ihnen und beten wir für sie und darum, dass auch in Zukunft Menschen für eine solche Berufung offen sind!