Jesus ist der einzige Zugang zum Heil
Drei Wochen nach Ostern feiert die Kirche heute den vierten Sonntag in der Osterzeit, der seit langem – vom Evangelium her – auch den Beinamen „Guter-Hirten-Sonntag“ trägt. – Es ist heuer aber auch der Sonntag, der dem 1. Mai benachbart ist, dem Hochfest der Kirchweihe unserer Dom- und Pfarrkirche, die – wie Kirchenhistoriker vermuten – am 1. Mai 1441 konsekriert worden sein soll. Was also sollen wir heute am Dom feiern? – Am besten beides in einem, denn, wie der Papst gerne sagt: „ALLES IST MITEINANDER VERBUNDEN“ (Laudato si‘ 117,138).
- Und das empfiehlt sich auch angesichts der sogenannten „Hirtenrede“, von der es im Johannesevangelium heißt: „Um diese Zeit fand in Jerusalem das Tempelweihfest statt“ (Joh 10,22). Gemeint ist das Gedenken an die Wiedereinweihung des Tempels nach den Makkabäerkriegen im Jahr 164 vor Christus (1 Makk 4,36-59).
Das Bild, das Jesus von den Schafen und der Weide, vom Schafstall und der Einheit der ganzen Herde schildert, ist von den Christen nach Ostern als Gleichnis für die Gemeinschaft der Glaubenden, als Evangelium von der Kirche und ihrer geschichtlichen Sendung und in der Folge auch von Diensten in der Kirche verstanden worden. Und dass Jesus sich dann selbst den „Guten Hirten“ nennt, der die Seinen beim Namen ruft, ist eine Frohe Botschaft an die Kirche, dass er uns kennt, ein persönliches Verhältnis zu uns hat, und dass wir bei ihm keine Nummern sind.
Zunächst wird im heute verkündeten Abschnitt aus dieser johanneischen Offenbarungsrede aber ein meist übersehenes und wenig bedachtes Bild gezeichnet: Jesus spricht von der Tür in den Schafstall und führt hin zu einer Selbstoffenbarung: „Ich bin die Tür zu den Schafen.“
Das Evangelium berichtet ausdrücklich, „die Jünger haben den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte, nicht verstanden.“ Dieses Wort wird verständlicher aus einem Psalm, der andeutet: „Dies ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte dürfen hier einziehen“ (Ps 118,20); und aus einem Wort in der Offenbarung des Johannes: „Danach sah ich und siehe, eine Tür war geöffnet am Himmel“ (Offb 4,1): Dieses Wort verkündet: „Jesus selbst ist der Zugang zum Heil, und zwar der einzige Zugang, weil er der Zugang zu Gott ist.“[1]
- Verstehen wir heute dieses rätselhafte Wort besser als die Jünger damals? Oder liegt nicht in dieser Aussage gerade in ihrer Direktheit ein Grundproblem, mit dem wir immer wieder den Vorwurf der Intoleranz erregen?
Vielleicht wurde dieses Gleichnis von der Tür – anders als jenes vom Guten Hirten - gerade deshalb in Predigten kaum verkündigt und bedacht. Derzeit wird der Vorwurf eher anderen Weltreligionen gemacht, die mit intoleranten Gruppen auftreten. Aber machen wir es uns nicht zu leicht! Bedenken wir doch, dass diese Ausschließlichkeit seit der Verkündigung des Dekalogs, der Zehn Gebote, gilt: „Ich bin der Herr, dein Gott… Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ Trotz aller anderen Kontroversen ist Juden, Christen und Muslimen eine gewisse Intoleranz gegenüber anderen Göttern und Religionen gemeinsam!
Und auch wir Christen müssen – wie es der katholische Exeget Josef Blank formuliert hat - eingestehen: „Aus der Verquickung von christlicher Religion und politischer Macht ergab sich im Lauf der Geschichte jene… Intoleranz, die von der Vorstellung geleitet war, dass das Christentum als die allein wahre Religion sich überall verbreiten und durchsetzen müsse, wenn nicht freiwillig, dann mit Hilfe staatlicher Gewalt.“[2]
- Es waren heftig umstrittene Themen aber „vielleicht der wichtigste Fortschritt auf dem II. Vatikanum“ (W. Kasper) [3], dass das letzte Konzil seine Erklärungen über die Religionsfreiheit DIGNITATIS HUMANAE und über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen NOSTRAE AETATE erarbeitet und veröffentlicht hat.
Ja: Abstrakte „Wahrheit“ ist intolerant, aber nach christlichem Verständnis kommt es darauf an, „Wahrheit in Liebe zu verwirklichen“ (Eph 4,15), das heißt, dass der Wahrheitsanspruch so vertreten werden muss, dass er zugleich die Verwirklichung der Wahrheit ist… Christliche Identität, die sich zum einen Gott und zum einen Herrn Jesus Christus bekennt, verzichtet auf Gewalt und setzt auf das Engagement der Liebe, zu dem uns das Evangelium mit dem Gleichnis vom Guten Hirten ermutigt.[4] Deshalb verweist das Konzil in der Erklärung über die Religionsfreiheit auf die in der Heiligen Schrift vielfältig begründete Würde der menschlichen Person.
Wir leben in einer multikulturellen Stadt mit Menschen, die verschiedenen Religionen und Weltanschauungen angehören. Jesus Christus, so glauben wir, kennt auch sie und ruft sie beim Namen, er führt sie auf eine Weise, die nur er kennt, und weist ihnen den Zugang zu seinem, unserem, ihrem Vater. Wir Christen sollen uns an der Menschlichkeit Jesu Christi orientieren und seine Einladung in Liebe und Freundlichkeit vor-leben. Das ist unser Auftrag, unsere Sendung als Kirche.
Amen.