Orgelweihe - Musik als immerwährendes Asyl
Als Grazer Domgemeinde feiern wir heute den Abschluss einer umfassenden Renovierung unseres Gotteshauses und die Weihe der großen Orgel – später als ursprünglich geplant, aber - bewusst am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem Hochfest „Christkönig“ – und nahe dem Gedenktag an die frühchristliche Märtyrerin Cäcilia, dem Ehrentag unserer Kirchenmusiker. Viele Anlässe also für ein Hochfest, aber - wie es Papst Franziskus gerne sagt: - „Alles ist miteinander verbunden.“[1]
- Das deutsche Wort Kirche ist sprachlich abgeleitet vom griechischen „kyriakos“, d.h. „dem Herrn gehörig“. Als „kyriake ekklesia“ – als „die dem Herrn gehörige Versammlung“ darf sich die Kirche verstehen. – Dankbar feiern wir heute am Christkönigssonntag, dass wir von Jesus Christus, unserem Herrn und Gott, zusammengerufen und geeint sind.
Das Christkönigsfest ist 1925 zur Erinnerung an das erste große Konzil der Christenheit im Jahr 325 in Nicaea eingeführt worden: vor 1700 Jahren, nach der sogenannten „konstantinischen Wende“ hatten sich Risse im Gefüge der christlichen Glaubensgemeinschaft gezeigt. Dem Konzil ging es damals um die Sicherung des Fundamentes unseres Glaubens: um das Bekenntnis zu Jesus Christus, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist.
Auch heute, wenn eine Kirche renoviert wird, geht es nicht nur um das Gebäude, in dem wir uns versammeln, sondern um die Erneuerung der Kirche, dem Haus aus lebendigen Steinen, das wir, die gläubige Gemeinde, sind.
Kirchen sind für uns ja nicht nur Baudenkmäler - wie die Pyramiden in Ägypten oder Burgen und Schlösser -, die es gilt, museal zu erhalten; Kirchen sind als Bauten sichtbare Bekenntnisse zum Kyrios, zum Herrn der Kirche. Sie sollen offen sein als eine Einladung, ihn zu suchen, auf ihn zu hören, Stätten, an und in denen erfahren werden kann, was er uns versprochen hat: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20).
- Dass viele die Schönheit dieser Frohen Botschaft erfahren, darum geht es! E i n Schlüssel und Zugang zu dieser von Gott geschenkten Schönheit ist die Musik!
Das Zweite Vatikanische Konzil hat am 22. November 1963, also vor fast genau 60 Jahren, in der Konstitution über die heilige Liturgie den Wunsch ausgesprochen, „die Orgel möge in großer Ehre gehalten werden; denn ihr Klang vermag die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel empor zu heben“ (SC 120).
Wir wissen: Musik tut dem Menschen gut. David hat König Saul durch sein Spiel aus der Schwermut aufgeweckt (1 Sam 16,23). - Psalmen fordern uns auf: „Lobet den Herrn mit Hörnern, mit Harfen, Pauken, Flöten und Saitenspiel! Alles, was atmet, lobe den Herrn!“ - Wenn die Töne stimmen, wird der Mensch gestimmt. Dem Lyriker Reiner Kunze verdanken wir das schöne Wort: „Musik als immerwährendes Asyl.“[2] - Und Martin Luther hat gedichtet: „Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Werk gewonnen, denn ihr Ursprung ist vom Himmel selbst genommen!“
Das Christentum und der Gottesdienst können auf Gesang und Musik nicht verzichten. Darum haben wir bei der Orgelweihe zu Gott gebetet: „Wie die vielen Pfeifen sich in ihrem Klang vereinen, so lass uns als Glieder deiner Kirche in gegenseitiger Liebe verbunden bleiben.“ Die Orgel ist also auch ein Symbol für die Kirche: denn wie die verschiedenen Klangfarben und Register aufeinander abgestimmt sind, ist auch die Gemeinschaft der Gläubigen in sich vielfältig. Und wie der Wind für die Orgel unverzichtbar ist, ist der Heilige Geist für die Kirche lebensnotwendig.
- Wir sind dankbar, dass so viele dazu beigetragen haben, dass unser Dom und die große Orgel renoviert werden konnten: das ist ein Zeichen, dass ihnen die Erhaltung und Pflege der Kirchen wichtig ist.
Wir danken den Restauratoren, Bau- und Zimmerleuten, den Technikern, den Orgelbauern, unserem Architekten, den Fachleuten des Denkmalschutzes und allen, die durch ihre Spenden, durch ihren Kirchenbeitrag und durch ihre Steuern an Stadt, Land und Bund direkt und indirekt geholfen haben, dieses Gotteshaus zu renovieren. Wir sind froh, dass die Arbeiten in den letzten Jahren ohne größere Unfälle vorgenommen werden konnten. Aber wir gedenken heute auch unseres vor wenigen Wochen tödlich verunglückten Mesners Johannes Grill, der sich kompetent und umsichtig für die Renovierung unserer – seiner - Domkirche eingesetzt hatte.
Bei aller Freude und Dankbarkeit über das, was in den vergangenen Jahren hier geschaffen worden ist, sei aber auch die ernste Frage gestellt, für die vor einigen Jahren der ehemalige bayrische Kultusminister Prof. Hans Maier die Worte gefunden hat:
„Wäre es möglich, dass das Christentum in absehbarer Zeit einfach verschwände? Dass es zumindest so schwach würde, dass man es als soziale Größe vernachlässigen könnte? Kann man sich vorstellen, dass Dome und Kirchen eines Tages abgebrochen würden – so wie es Cluny widerfuhr? Oder dass Kirchen und Kapellen nur noch als Denkmäler weiterbestünden...? Denkbar ist der Fall schon... Umgewidmet ist eine Kirche rasch; dass sie der ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben wird, setzt Anstrengungen voraus, verlangt den Einsatz der Gläubigen… Lebendig bleibt nur, was bei Menschen Wurzeln geschlagen hat. Sonst wird auch das schönste Äußere einer Kirche zur toten Fassade.“[3]
„ECCLESIA SEMPER REFORMANDA! Die Kirche ist immer wieder der Erneuerung bedürftig!“ Beten wir darum, dass wir, die Kirche aus lebendigen Steinen, „in Christus, dem Licht der Völker,“ neu werden als „Zeichen und Werkzeug für die Einheit mit Gott und der Menschen untereinander.“