Caritas-Haussammlung 2024: Auftakt zur Solidarität
Die sogenannten "10 Gebote" sind uns allen geläufig und bekannt. Oft und oft - auch jenseits der kirchlichen Grenzen - wird die Meinung vertreten: Wenn sich nur die Menschen an diese Gebote halten würden, dann würde die Welt anders aussehen und so manches Schreckliche, das es auszuhalten gilt, nicht vorkommen. Das mag so schon stimmen, greift meines Erachtens aber dennoch zu kurz, weil es im Glauben ganz einfach nie nur um Gebote und Verbote gehen kann und darf. Ehrlichen Herzens müssen wir aber sagen: Christsein wird oft als "moralischer Höchstleistungssport" missverstanden, der uns anderen gegenüber als besser dastehen lässt. Caritas zu leben läuft dann aber Gefahr, zu einer bloßen Selbstdarstellung zu verkommen: "Schaut doch her, wie gut ich bin!"
Das Jubiläum unserer Caritas und auch das Jubiläum der traditionellen Haussammlung baut meines Erachtens aber auf dem rechten Verstehen dessen auf, was wir eben gehört haben. Der "Dekalog", wie dieser Abschnitt der heutigen (1.) Lesung im Griechischen heißt, also "das Zehnwort", holt nämlich weiter aus. Doch das wird oft nicht bedacht. Der eigentlich erste Satz der "Gebote", wenn man so will, ist: "Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus." Dem Zehnwort geht die Selbstoffenbarung Gottes voraus: Er ist der, der sein Volk in die Freiheit geführt hat. Mit dieser Erfahrung der Errettung, der Erlösung im "Hinterkopf" hören sich die folgenden oft verkürzt als Ge- bzw. Verbote verstandenen Worte ganz anders an. Ich interpretiere ein wenig frei: Wenn ich als Mensch diese Erfahrung eines mich und mein Volk befreienden Gottes gemacht habe, wäre es ja unsinnig, an einen anderen zu glauben. Das was eingemahnt wird an Geboten ist demnach eigentlich logische Konsequenz aus der gelebten Erfahrung. Und tatsächlich kann die Zeitwort-Form, in der diese Worte im hebräischen Urtext geschrieben ist nicht nur als Gebot bzw. Verbot wieder gegeben werden, sondern auch als Feststellung wie etwa: "Weil du erfahren hast, dass dich Gott in die Freiheit geführt hat, wirst du [gar nicht anders können] als nicht an diesen einen Gott zu glauben" usw.
Anders ausgedrückt: Christentum auf Moral zu verkürzen und zu meinen, es geht im Glauben nur um ethisch-normative Übereinkünfte, greift zu kurz. Es geht um die Erfahrung des lebendigen Gottes, mit dem ich in Beziehung stehe, der mich persönlich meint, mich persönlich anspricht und mich als der Lebendige begleitet, zu einem Leben in Fülle und Freiheit führen möchte. Daher habe ich an Sie, die Sie durch Ihr Gehen einen wertvollen Dienst der Verkündigung leisten (!), eine einfache Bitte: Leben Sie die Herkunft Ihres Unterwegsseins bewusst. Spüren Sie immer wieder dem nach, was der Sie persönlich liebende Gott für Sie und Ihr Dasein getan hat und immer wieder aufs Neue tut. Und machen Sie daher die Entdeckung, dass Ihnen der lebendige Gott dort entgegentritt, wo Sie anläuten und um eine Spende bitten für jene, die es hier bei uns nötig haben. Natürlich: da kann so manches auch an Unverständnis Ihnen entgegenschlagen, da haben Sie wohl auch da und dort einiges auszuhalten, wofür Sie geradestehen, auch wenn Sie selbst nicht Urheber der angeklagten Situation sind. Aber Sie wissen sich dadurch mit dem eins, der vor 2000 Jahren - wiewohl er die Botschaft des Lebens bedachte und ansagte - von so manchen abgelehnt wurde. Ja: das Leben wird eben auch nicht immer und überall in unserer Gesellschaft entsprechend wahrgenommen und akzeptiert!
Jesus hat mit der "Tempelaustreibung" deutlich gemacht, wie Glauben in Wirklichkeit geht: die Beziehung zum befreienden Gott gilt es an sich heran zu lassen und dadurch zu erfahren, wie toll es ist, an den glauben zu dürfen, der uns ein einmaliges und zugleich ewiges Leben verheißen hat, der uns in Jesus Christus bis in den Tod nahe gekommen ist. Danke für Ihren Dienst an dieser Botschaft!
Lesungstexte vom 3. Sonntag der Fastenzeit - Lesejahr B