Sei nicht ungläubig, sondern gläubig
„Noch viele andere Zeichen hat Jesus … getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.“ – Mit diesen feierlichen Worten hat ursprüngliche das Johannesevangelium geendet. Der Sonntag am Ende der Osteroktav hat für die erwachsenen Neugetauften den Abschluss ihrer Einführung in die Kirche bedeutet: noch einmal sind sie in der „Alba“, dem weißen Taufkleid, zum Gottesdienst gekommen – daher der Name dieses Sonntags „Dominica in albis - Weißer Sonntag“.
- Für die Neugetauften war der Sonntag nach Ostern die Schwelle zum Alltag des Lebens aus dem Glauben; auch für uns ist nach der Liturgie der Heiligen Woche dieser letzte Tag der Osteroktav ein Übergang.
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Das ist in johanneischer Sprache der „kirchenstiftende Akt“ durch den auferstandenen Herrn:“[1]
Kirche – das ist Gegenwart des Auferstandenen durch seinen Heiligen Geist; Weiterführung der göttlichen Sendung Jesu durch seine Jünger: sie sollen Frieden und Versöhnung bringen. Das Anhauchen erinnert an die Erschaffung des Menschen: die Taufe bedeutet Mitteilung des neuen Lebens.
- Am Weißen Sonntag hören wir alljährlich das Evangelium vom Glaubensweg des Apostels Thomas. Vermutlich ist Thomas vielen von uns gerade wegen seines Zweifels sympathisch.
Wir haben zwar gefeiert und gesungen, die Botschaft gehört, aber tragen in uns doch eine gewisse zweifelnde Zurückhaltung. Nach einem Wort des Psychologen und Soziologen Peter L. Berger – manchen vielleicht noch in Erinnerung durch sein Buch „Auf den Spuren der Engel“ über die Wiederentdeckung der Transzendenz[2] – befinden wir uns in einer „Zeit der Leichtgläubigkeit“.[3] Man staunt, was die Leute alles glauben: von Verschwörungstheorien über Kuriositäten, bis zu Unterstellungen, was Christen angeblich an Unglaublichem für wahr halten. Die Unterscheidung der Geister ist heute nötiger denn je.
Das Evangelium zeigt den Weg, wie wir zum Glauben kommen können. Kritisch, d.h. prüfend, ist etwas anderes als „ungläubig“. Das Evangelium ist Gottes Wort im Menschenwort. Das Christentum erlaubt Rückfragen, ist keine fundamentalistische, autoritäre Doktrin. Die von manchen gezeigte Wundersucht steht in einer Linie zur hämischen Aufforderung an Jesus auf Golgotha: „Wenn du der Sohn Gottes bist, steig herab vom Kreuz!“ – Das ist der Gegensatz zum Glauben.
- „Acht Tage“ nach Ostern wird uns dieses Evangelium verkündet. Jesus sagt dem Thomas „Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“
Im Glauben geht es nicht um klug ausgedachte Theorien über die Unsterblichkeit der Seele, sondern – so sagt es das Evangelium -um das Leben mit dem Auferstandenen – auch für die, „die nicht sehen und doch glauben“, also für uns, die wir auf die Botschaft der Erstzeugen angewiesen sind.
P. L. Berger hat sein Bekenntnis abgelegt: „Christ zu sein bedeutet, vom Antlitz Christi in einem solchen Maße gefangen zu sein, dass man nur noch beteuern kann, Gott spiegele sich in ihm. Wer dieses Antlitz einmal, und sei’s noch so flüchtig, zu sehen bekam, wird immerdar nach ihm suchen.“[4]
„Und sei’s noch so flüchtig“? Wo können wir solche Begegnungen erfahren?
- „Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt“ – dieser achte Tag – der Sonntag, heute - ist für uns Christen der Tag, an dem wir den Leib Christi berühren können: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ In der Gemeinschaft der Glaubenden und im heiligen Sakrament berührt uns Christus.
- „Empfangt den Heiligen Geist. Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen.“ In der Versöhnung wird Christus für uns der der „Urheber des Lebens“. Jede - jeder von uns - nicht nur Amtsträger - kann und darf diese Begegnung mit Christus anderen ermöglichen, aber auch selbst erfahren.
- „Streck deine Finger hierher aus!“ Christus begegnet uns tagtäglich in den Leidenden. In der Begegnung mit Menschen in Not macht sich Christus für uns berührbar. „Was ihr einem dieser meiner geringsten Geschwister getan, habt ihr mir getan!“
Der Glaube ist tief, aber nicht kompliziert. Wir sind auf der Suche nach einer Kurzformel des Glaubens. Der gläubig gewordene Thomas hat dieses alles umfassende Bekenntnis gefunden: „Mein Herr und mein Gott!“
Dieses Bekenntnis ist das Unterscheidend Christliche, das wir aber nicht nur als Dogma vor uns hertragen und einfordern sollen. An unserem Leben soll man erkennen, dass Christus für uns Herr und Gott ist. Dann werden wir durch den Glauben Leben haben in seinem Namen.
Amen.
[1] J. Blank, Das Evangelium nach Johannes, 3. Teil, Düsseldorf 1977, S.178;
[2] P. L. Berger, Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz, Frankfurt a.M. 1970;
[3] Ders., Sehnsucht nach Sinn. Glauben in einer Zeit der Leichtgläubigkeit, Frankfurt/New York, 1994;
[4] Ebd. S. 169;