Gaudete! – Freuet euch!

„Gaudete! – Freuet euch!“ Das ist der Name des dritten Sonntags im Advent. Während der Anfang des Advents als Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten unter sehr ernsten Bildern gestanden ist, fordert uns dieser Sonntag wenig vor dem Hochfest der Geburt Christi zur Freude auf. Wahrscheinlich erinnern sich nur wenige von uns daran, dass der Advent auch als eine „Fastenzeit“ gegolten hat.
- Die Botschaften der Lesungen am Beginn des Advents von der Wiederkunft Christi und vom Weltenende, oder die Predigt Johannes des Täufers und die ernste liturgische Farbe Violett rufen uns zur Umkehr, zur Bekehrung, zu einer Neuorientierung und zu einem Neustart auf.
Die heutige Aufforderung zur Freude scheint nicht ganz dazu zu passen: unserem Empfinden nach sind „Freude“ und „Umkehr“ oder - wie man das Wort meist übersetzt – „Buße“ zwei widersprüchliche Wirklichkeiten. Aber wenn wir an das Ziel der Umkehr denken, kann die Heilige Schrift sogar von der „Freude der Buße“ sprechen: so kündet ein Psalm von der Freude dessen, dem der Herr seine Schuld vergeben hat (Ps 32,11), oder: erinnern wir uns an das Wort Jesu von der „Freude im Himmel über einen einzigen Sünder, der umkehrt“ (Lk 15,7)!
- Jedenfalls ist Johannes der Täufer eine der Gestalten, an denen wir ablesen können, was Advent bedeutet: er ruft in die „Wüsten“ unseres Lebens: „Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! Was krumm ist, soll gerade, was uneben ist, soll zum ebnen Weg werden!“
Was war die Situation, in die hinein Johannes seine Predigt gerichtet hat? Offensichtlich war die Zeit reif für seine Botschaft: viele Menschen sind zu ihm an den Jordan gekommen: Leute aus Jerusalem und aus dem ganzen Land, auch Zöllner, sogar Soldaten. Die politische Lage war explosiv. Es hat gewaltbereite Widerstandsgruppen gegeben, aber auch Sekten, die zum Auszug aus der Gesellschaft aufgerufen haben. Von allen Seiten ist die Frage gekommen: „Was sollen wir tun?“ Was bedeutet es, dem Herrn die Wege bereiten, Schluchten aufzufüllen, Krummes gerade zu machen? Was also sollen wir tun?
Die Antwort des Täufers wird manche enttäuscht haben: Johannes fordert nicht zu einem Aufstand, zur Niederlegung der Waffen oder zur Einstellung der Zahlungen von Steuern auf. Von ihm kommt kein Aufruf, die Strukturen zu verändern. Seine Antwort ist jedoch sehr konkret, es geht um die Änderung des Verhaltens: mit Armen und Notleidenden teilen, Gerechtigkeit im beruflichen, amtlichen, politischen Bereich walten lassen, Menschenrechte und Personwürde achten.
Das ist kein Rezept zur schnellen Lösung der Probleme und Krisen, in die wir immer geraten. - Ohne diese Haltungen wird aber auch kein Weg zum Frieden gefunden werden, ja sie sind Voraussetzung dafür.
- Wir befinden uns auf dem Weg zum Christfest. Christ-Sein wird im Neuen Testament als ein neuer gemeinsamer Weg bezeichnet, als Pilgerschaft. Wenn gläubige Juden am Ziel ihrer Wallfahrt in Jerusalem angekommen sind, haben sie den 24. Psalm gesungen. Im Adventlied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“, das wir der evangelischen Choraltradition verdanken, stimmen wir in diesen Lobgesang ein.
Nach einem langen Pilgerweg waren die Wallfahrer überwältigt von der Größe und Pracht des Tempels – wie auch heute die Pilger im Petersdom oder in Paris in der gerade wiedereröffneten Notre-Dame-Kathedrale oder vor und in einer anderen großen romanischen, gotischen oder barocken Kirche. Die Dimensionen vieler Kirchen sind ja als Symbole für die Größe, Schönheit und Macht Gottes errichtet worden. Und doch: Gott ist anders. Noch so großartige Bauten fassen ihn nicht, Portale müssten „gesprengt“ werden. Aber Gott kommt anders. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“
Er ist sowohl alles übersteigend, als auch im Kleinsten, Unbedeutendsten gegenwärtig. „Er ist gerecht, ein Helfer wert, Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, sein Königskron ist Heiligkeit, sein Zepter ist Barmherzigkeit.“
Der unter tragischen Umständen umgekommene evangelische Christ und Dichter Jochen Klepper hat dieses Ganz-anders-Sein Gottes besungen: „Gott will im Dunkel wohnen, und hat es doch erhellt.“ Lassen wir in diesem Licht die Botschaft dieses Sonntags bei uns ankommen:
„Freut euch im Herrn zu aller Zeit!
Noch einmal sage ich: Freut euch!
Eure Güte werde allen Menschen bekannt!
Der Herr ist nahe!“