Christus, das Licht der Völker

Zwar ist nach der liturgischen Ordnung mit dem Sonntag der Taufe Jesu der Weihnachtsfestkreis abgeschlossen worden, der heutige 40. Tag nach dem Christfest verkündigt uns aber noch einmal die Botschaft von Weihnachten. Die Zahl 40 ist ja eine symbolkräftige Zahl: nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte hat sich Jesus, der auferstandene Herr, 40 Tage hindurch seinen Jüngern gezeigt. Und uns ist in den vergangenen Wochen auch im Evangelium immer wieder von Epiphanien, Schlüssel-erfahrungen des Geheimnisses Jesu, berichtet worden. In Jerusalem hat man schon im 4. Jahrhundert – nach dem Zeugnis einer Pilgerin aus Gallien – diesen Tag so festlich wie Ostern als Hochfest begangen.
- Das Ereignis, von dem uns das Evangelium berichtet, war wahrscheinlich im Tempel von Jerusalem fast „alltäglich“: eine junge Familie kommt mit ihrem ersten Kind um Gott zu danken.
Die Heilige Schrift sieht in jedem Lebewesen eine Gabe Gottes an uns – eine Grundeinstellung, die auch wir in unserem Glauben bewahren sollten! Das gilt nach dem Gesetz des Alten Testaments ganz besonders von jedem Erstgeborenen, für den man sozusagen Gott ein „Lösegeld“, ein symbolisches Opfer darzubringen hatte. Auch Josef und Maria, die Eltern Jesu, haben sich an diese Regel gehalten und sind in den Tempel gekommen, um die Gabe der armen Leute, „ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben darzubringen.“ - Wie gesagt, ein „alltäglicher“ Akt.
Das Besondere an diesem Evangelium ist das Auftreten der beiden alten Repräsentanten des gläubigen Judentums: Simeon und Hanna. Ihnen ist in der Begegnung mit dieser jungen Familie eine Erkenntnis, ein Licht aufgegangen: und das, was sie gesagt haben, hat die Eltern Jesu staunen lassen, war auch für sie eine Epiphanie, eine Schlüsselerfahrung!
- Es hat in Israel die Erwartung gegeben, dass „der HERR plötzlich zu seinem Tempel kommt. Der Prophet Maleachi verbindet damit aber eine Entscheidung: „Wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer des Schmelzers.“
Simeon ist vom Heiligen Geist diese Erkenntnis eingegeben worden: in diesem Kind kommt Gott selber in den Tempel. Jesus selbst ist das „Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“
Gotteserfahrungen sind immer wieder als Lichterscheinungen geschildert worden: für Mose aus dem brennenden Dornbusch; wiederholt im Werk des Propheten Jesaja: „Steh auf, werde licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht strahlend auf über dir!“ (Jes 60,1). In der Berufung des Gottesknechts heißt es: „Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen“ (Jes 42,6b). „Ich mache dich zum Licht der Nationen, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht“ (Jes 49,6b). Zacharias, der Vater Johannes des Täufers, kündet an: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe“ (Lk 1,78).
Der greise Simeon ahnt aber auch schon die Passion: Dieses Kind „wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“, und zu Maria gerichtet sagt er: „und deine Seele wird ein Schwert durchdringen.“
- „LUMEN GENTIUM. Christus ist das Licht der Völker“ so beginnt das grundlegende Dokument des II. Vatikanischen Konzils, das vor 60 Jahren abgeschlossen worden ist, und den Dienst der Kirche beschreibt.
Die Kirchenkonstitution legt dar, dass es die Aufgabe der Kirche, der Gläubigen, der Christen ist, dieses Licht der Völker, das Licht Jesu Christi, Jesus Christus den Menschen zu bringen, die Kirche - sozusagen als „Sakrament“, als Zeichen und Werkzeug. Die Erfahrung des Heils, das Simeon geschaut hat, ist die Einheit, zu der wir mit und in Gott und untereinander als Menschheit berufen sind.
Im Verlauf eines Kirchenjahres werden wir immer wieder mit der Symbolik der Kerzen an dieses Geschenk und diesen Auftrag erinnert: im Advent, mit dem Licht, das uns Menschen, die wir im Finstern sitzen, entzündet wird; durch den hellen Lichtschein von Weihnachten; in der Osternacht, in der wir mit der Osterkerze Christus, das Licht, in unserer Mitte begrüßen; und bei der Taufe, als im Sakrament das Licht des Erlösers in uns entzündet worden ist. Und bei jedem Gottesdienst, wenn wir im Licht der brennenden Kerzen Gott dankend beten: „Wir haben das Heil gesehen, das du uns Menschen bereitet hast.“