Auf ihn sollt ihr hören!

Die liturgischen Texte der Fastenzeit stehen in einer sehr alten Tradition, sie sind zum Teil schon im ersten Jahrtausend zusammengestellt worden. Die Lesungen aus der Heiligen Schrift sollten die Taufbewerber, die Katechumenen, im Glauben unterweisen und auf den Empfang des Sakramentes der Taufe zu Ostern vorbereiten – und allen Gläubigen, also auch uns heute, Orientierung geben zu einem Leben mit und in Jesus Christus. Am vergangenen Sonntag haben wir von Jesus gehört, der uns Menschen in allem gleich geworden und versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat. Am zweiten Sonntag in der Fastenzeit wird seit Jahrhunderten das Evangelium von der Verklärung des Herrn verkündet:
- Heute haben wir von dieser Offenbarung Jesu in der Tradition des Lukasevangeliums gehört: „während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß.“
Papst Benedikt, Prof. Joseph Ratzinger, hat wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Mitte des Geheimnisses Jesu vor allem in seinem Beten zum Vorschein kommt und sichtbar wird, wer er eigentlich ist.[1] Durch die Erfahrung seines Betens konnten die Jünger sein Geheimnis erahnen.
In seinen Versuchungen ist uns Christus begegnet, der in allem uns Menschen gleich geworden ist; heute zeigt er sich uns als Sohn Gottes in seiner einzigartigen Verbundenheit mit seinem Vater. Durch die Taufe sind wir mit ihm verbunden; er gibt uns Anteil an seinem göttlichen Leben, er ist es, zu dem wir uns immer wieder hinwenden, bekehren, umkehren sollen.
- „Und siehe!“: Der Evangelist fordert uns auf, die Begegnung Jesu mit Mose und Elija, den Vertretern des Ersten Testamentes, als Zeichen zu sehen: Jesus steht in Beziehung zur Geschichte des Volkes Gottes, er ist gekommen, das Gesetz und die Propheten zu erfüllen, aber er ist mehr als Mose und die Propheten.
Moses hat das Volk Israel aus der Knechtschaft geführt, Jesus führt durch die Taufe zur Freiheit der Kinder Gottes. Elija und die Propheten waren Zeugen der Heiligkeit Gottes, Jesus selbst ist „der Heilige Gottes“.
Jesus, so schreibt Lukas, sprach mit Mose und Elija über sein „Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte“ – also von seinem Leiden und seiner Auferstehung. Auch wenn wir an ihn, den Auferstandenen, glauben, dürfen wir seine Lebenshingabe, sein Leiden und Sterben für uns, sein Kreuz nicht ausklammern. Jesus hat seinen Auftrag mit dem Bild des von Jesaja geschauten Gottesknechtes gedeutet, sein Weg ist das Schicksal der Propheten.
- Zunächst haben die Jünger nicht verstanden. Der Evangelist schreibt zum Vorschlag des Petrus, für Jesus, Moses und Elija drei Hütten zu bauen: „Er wusste nicht, was er sagte.“
Eine der Versuchungen, denen Jesus ausgesetzt war und die er zurückgewiesen hat, war, dass Petrus ihn davon abhalten wollte, nach Jerusalem zu gehen. Jesus sagt auf seinem Weg nach Jerusalem: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Lk 9,58).
Auch wir Christen sollen wissen, dass wir noch nicht am Ziel sind, sondern mit Christus auf dem Weg. „Als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende“, schreibt Paulus der Gemeinde in Korinth (2 Kor 5,7). Uns sind keine Visionen geschenkt. Die Beziehung zu Jesus wird uns anders gewährt: „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!“
Das Evangelium berichtet, dass die Jünger „in jenen Tagen niemandem von dem, was sie gesehen hatten, erzählt“, sondern geschwiegen haben. Erst nach Ostern ist ihnen der Sinn dieses Ereignisses aufgegangen.
„Auf ihn sollt ihr hören!“ Diese Aufforderung ergeht seitdem an die zum Gottesdienst versammelten Gemeinden, denn wenn wir im Namen Christi beisammen sind, ist er mitten unter uns und richtet er sein Wort an uns. Darum ist in vielen alten Kirche in der Apsis Christus, das Wort Gottes, der Gemeinde gegenüber thronend dargestellt. Die Umkehr, um die es in der Erneuerung unserer Taufe geht, ruft uns zur Aufmerksamkeit für Gottes Willen, zur Offenheit für das Leben mit Christus auf, mit dem wir im Heiligen Geist verbunden sind. Jetzt, in der Fastenzeit, wäre die geistliche Schriftlesung auch für jeden und jede von uns persönlich ein guter Schritt zum eigentlichen Sinn der österlichen Bußzeit, zu einer Verlebendigung unseres Glaubens – damit wir fähig werden, Christus zu erkennen (vgl. Phil 3,10).
[1] Vgl. J. Ratzinger, Der Gott Jesu Christi. Betrachtungen über den Dreieinigen Gott, München 1976, S.67f.