Was bedeutet uns unser Glaube?

Am Beginn der heiligen Messe an diesem 6. Ostersonntag haben wir gebetet: „Allmächtiger Gott, lass uns die österliche Zeit in herzlicher Freude begehen, damit das Ostergeheimnis unser ganzes Leben prägt und verwandelt!“ Das Tagesgebet ist sozusagen das „Vorzeichen“ für den ganzen Gottesdienst: in ihm erbitten wir von Gott, was wir für uns durch die Feier der Osterzeit erhoffen sollen. – Erwarten wir denn, dass uns unser Glaube an den Auferstandenen und die Auferstehung formt und ausrichtet? Wahrscheinlich bekennen wir ehrlich: Ja, wir haben Ostern gefeiert und uns über diese schönen Tage gefreut, aber „geprägt und verwandelt“? Wir sind nüchtern und wollen nichts übertreiben! Die Sprache der Liturgie ist eben etwas üppig!
- Wir sollten uns aber doch fragen, was uns unser Glaube bedeutet! Das hat ja etwas damit zu tun, ob wir überhaupt gläubig sind.
Glaube, christlicher Glaube, österlicher Glaube ist nicht nur ein „ehrendes Gedenken an den Religionsstifter“, sondern eine Beziehung zu Ihm, einem lebendigen Gegenüber, Freundschaft, eine Liebesbeziehung, die uns neu macht. Der Glaube an Jesus Christus hat das religiöse Leben von Einzelpersonen, Gemeinden und Kirchen in vielfältigen Formen geprägt, z.B. in den verschiedenen Konfessionen:
- in der Orthodoxie mit der heiligen Liturgie, der Verehrung der Ikonen und dem Jesusgebet: „Herr Jesus Christus du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich meiner!“;
- bei den Kirchen aus der Reformation mit der besonderen Beziehung zum Wort Gottes und zur Heiligen Schrift;
- in unserer katholischen Tradition z.B. die eucharistische Frömmigkeit.
Der christliche Glaube hat ein reiches Brauchtum hervorgebracht, den Jahreslauf und den Kalender unserer Gesellschaft geformt und ist dadurch in unserem Leben wirksam, auch wenn uns das wenig bewusst ist. Die Osterzeit soll uns über all das hinaus zu einer freudigen und bewussten Annahme der Gegenwart Christi, seines Vaters und seines Heiligen Geistes bewegen: Das Evangelium kündigt an: „Wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen.“ Diese Innigkeit ist mit dem christlichen Glauben an den Auferstandenen gemeint.
- Jetzt vor Christi Himmelfahrt und Pfingsten werden uns Abschnitte aus den sogenannten „Abschiedsreden Jesu“ verkündigt – sie sind eigentlich eine Hinführung zu einer neuen Wahrnehmung der Anwesenheit Christi durch den Heiligen Geist. Sie stellen das Vermächtnis, das „Neue Testament“ Jesu dar:
Jesus knüpft seine Gegenwart in unserem Leben an die Liebe zu ihm und an das Festhalten an seinem Wort: das meint nicht nur Emotion, und auch nicht einen starren Fundamentalismus, sondern die Offenheit und Aufmerksamkeit, ihn und sein Wort in Beziehung zu unserem Leben zu bringen und ihn verstehen zu wollen; die Bereitschaft, mit ihm im Gesprächskontakt zu bleiben, uns von ihm auf unserem Lebensweg leiten zu lassen.
Christus wirkt in uns durch die Gabe seines Heiligen Geistes: Der Geist Gottes ist eine schöpferische Kraft, die in uns das Verstehen seines Wortes erschließt, und die uns und die Gemeinschaft der Kirche in der Beziehung zu Gott hält. Und das sogar in der Weise, dass die Apostel sagen konnten: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen!“ (Apg 15,28).
- Und noch etwas wird im Evangelium mit Ostern und einem österlichen Leben verbunden: der Friede. Bei jeder heiligen Messe bitten wir um den Frieden, die Abschiedsgabe Jesu an uns.
Im biblischen Sprachgebrauch bedeutet „schalom“ „Wohlsein“. Der Friede ist nicht nur Abwesenheit von Krieg und persönlicher Feindschaft – Frieden umfasst Freude, glückliche Beziehungen, Vergebung von Schuld, Versöhnung in der menschlichen Gesellschaft und religiös verstandenes Heil, „die Anwesenheit der neuen Welt, die mit der Gegenwart Jesu gegeben ist“[1].
„Meinen Frieden gebe ich euch!“ Dieser Friede ist also eine Gabe Gottes. Das schließt nicht aus, dass auch wir uns für den Frieden engagieren müssen: für Humanität, soziale und politische Gerechtigkeit und Freiheit, im Kampf gegen Hunger, Elend und Unterdrückung jeder Art. Der Einsatz von Christen für den Frieden wird so zu einem Zeugnis für die Gegenwart des auferstandenen Christus und seines Reiches.
Von dieser Hoffnung und diesem Engagement sollen wir uns prägen und verwandeln lassen.[2]