Dich, Gott, loben wir ...
1. Auch am Ende des heurigen bürgerlichen Jahres werden wir in den großen Gesang der Kirche Gott gegenüber an-stimmen: "Dich, Gott, loben wir", den uns - heute zum letzten Mal unter Domkapellmeister Josef Döller - unsere Dommusik schenken wird. [Für Deinen jahrzehntelangen, auch über Graz hinaus bekannten und geschätzten Dienst möchte ich Dir an dieser Stelle ein großes "Vergelt's Gott" sagen, lieber Josef!]
Beinahe bin ich versucht zu fragen - angesichts all dessen, was uns in der Welt derzeit beschäftigt: Ist das Gotteslob statthaft, das den Betenden in der Kirche an Feiertagen und Sonntag für Sonntag vorgegeben wird?! Und auch angesichts des vielen Leids in der Welt und auch der Trauer um den verstorbenen, emeritierten Papst Benedikt fragen sich manche, wieso wir singen können: "Dich Gott loben wir, dich Herr preisen wir"?
Der ganze Text freilich macht deutlich, dass es nicht "blindes Loben" ist, das uns in diesen altehrwürdigen prosai-schen Worten der frühen Kirche begegnet. Es ist vielmehr ein Gesang, der deutlich macht: aus dem Anerkennen Got-tes, aus der einfachen Tatsache, dass es gilt, Gott Gott sein lassen, erwächst Vertrauen und Zutrauen: "Du bist es, der uns heilt. Du bist es, der uns rettet."
2. Genau deswegen können wir es uns "leisten", heute Abend auch um Seine Hilfe zu flehen: "'komm deinen Dienern zu Hilfe', Herr!" Denn angesichts all dessen, wovon wir heute schon kurz gehört haben und angesichts all dessen, was uns im persönlichen Leben an Fragestellungen, an Leid und Sorgen begegnet, können wir nicht anders, als uns IHM zuwenden und von ihm alles erhoffen. Denn eines ist sicher – nicht wir sind die Löser der Welt, sondern durch IHN, unseren Gott, wissen wir uns erlöst. "Komm deinen Dienern zu Hilfe", singen wir angesichts unserer Grenzen, so groß-artig der Mensch sich heute auch geben mag.
3. Ja: "Rette dein Volk, o Herr, und segne dein Erbe; und führe sie und erhebe sie bis in Ewigkeit." Dieser Sehnsucht, dieser Hoffnung gilt es - wann wenn nicht an der Schwelle zu einem neuen Jahr? - Ausdruck zu verleihen, weil sie unser Menschsein ernstnimmt. Wir leben eben nicht aus uns selbst, haben es uns nicht selbst gemacht und sind daher zum ehrfürchtigen Umgang mit ihm und gerade deswegen mit allem in unserer Schöpfung aufgefordert. Daher sind wir auch aufgerufen, uns nicht wie moderne Nomaden zu verstehen, die alles für sich in diesem uns anvertrauten gemeinsamen Haus der Welt über Gebühr nutzen, sondern auch jene nach uns im Blick zu haben. Denn christlich ist, alle zu lieben. Auch als endliche Wesen, also als Menschen, die unweigerlich den Tod vor Augen haben, können wir nicht anders, als uns beständig zu fragen: "Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Welchen Sinn hat mein Da-sein?" Wer das Leben unseres verstorbenen emeritierten Papstes in seinen vielen Facetten bedenkt, erkennt, dass er immer aus dieser Bitte gelebt hat: "Rette dein Volk, o Herr" und damit "Rette mich"! Wer Gott als den an- und ernstnimmt, dem unser Lobpreis gilt, kann nicht anders, als sich selbst demütig an den rechten Fleck im Universum zu stellen und sich stets zu orientieren an dem, der wirklich Leben - Leben auf ewig - verheißt.
4. "Lass über uns dein Erbarmen gescheh'n, wie wir gehofft auf dich." Genau um das geht es uns, die an Gott glauben und die sich - wie wir am Ende dieses Jahres bekennen - versammeln, um innezuhalten, um sich intensiv Gott zuzu-wenden, der uns Weggeleit ist und an unserer Seite geht. Dadurch werden auch unsere Sinne neu geschärft. Denn es gibt nicht nur das, was im grellen Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit in Medien und den sich als sozial gebärdende Kommunikationsmitteln erstrahlt und mitunter unser Augenmerk fast zur Gänze in Beschlag nimmt. Sondern es gibt auch das Unauffällige, das vordergründig Verborgene, das Kleine und für das persönliche Fortkommen doch so Entscheidende - nämlich Gottes Erbarmen, das uns leben lässt und zur Liebe herausfordert und das uns unser Da-sein und unsere Identität "neu" schenkt.
5. Stimmen wir also auch am Ende dieses von so vielen Herausforderungen geprägten Jahres 2022 ein in die Schluss-akkorde des großen Hymnus: "Auf dich, o Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt. In Ewigkeit werde ich nicht zu-schanden." Dies zu erinnern ist im Übrigen die Aufgabe all derer, die in der Kirche für die Menschen als Laien, als Diakone, als Priester einen Dienst ausüben: Ihnen allen möchte ich an diesem Abend von hier aus auch meinen Dank aussprechen: Bei allen Widerwärtigkeiten und auch den einen oder anderen persönlichen Begrenztheiten bleibt dies als Maß für das Wirken aller Frauen und Männer in der Seelsorge bestehen: Es gilt, die Hoffnung in die Welt hinein zu tragen und hinein zu sagen oder es gilt - wie wir Bischöfe es in unserem Adventhirtenwort dieses Jahres geti-telt haben: "Werft eure Zuversicht nicht weg!" Und dies zu leben verbindet uns in der Sorge um die Menschen weit mehr als alles, was uns trennt - daher gilt es auch, das, was Einheit heißt, im Vordergrund zu halten und nicht das, was trennt, als Schlagzeilen uns gegenseitig um die Ohren zu werfen. Auch im letzten Buch unserer Bibel, aus dem wir heute gehört haben, klingt diese Hoffnung wider alle Hoffnungslosigkeit an: "Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu."