Für eine synodale Kirche
Im Evangelium haben wir von der Bitte der Apostel Jakobus und Johannes gehört: „Meister, … lass uns in deiner Herrlichkeit links und rechts neben dir sitzen!“ Ihre Vorstellung von dem, was Jesus als Gottes Herrschaft und Reich ankündigt, ist bestimmt von der Hoffnung auf einen besonderen Platz in einer Hierarchie, die über Völker herrschen wird. Sie haben noch immer nicht verstanden. Jesus antwortet: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet!... Bei euch soll es nicht so sein!“
- Vor einer Woche hat Papst Franziskus in Rom die Kirche zu einer Synode aufgerufen, d.h. sich auf einen gemeinsamen Weg zu machen, der uns einen Wesenszug der Kirche näherbringt, nämlich „Synodalität“. Heute werden in den Diözesen der Weltkirche, auch bei uns, erste Schritte in dieser Richtung gesetzt. Hat das etwas mit diesem Evangelium zu tun?
Synoden und Konzilien sind immer wieder einberufen worden, wenn es Krisen in der Kirche und einen Dissens in Glaubensfragen gegeben hat – z.B. vor 500 Jahren in Trient angesichts der Reformation. - Vor fast 60 Jahren hat Papst Johannes XXIII. in den Vatikan eingeladen, um den Weg der Kirche in den tiefgreifenden Veränderungen unserer Zeit zu erkunden und eine Erneuerung der Kirche einzuleiten. Seit diesem letzten Konzil finden alle paar Jahre Bischofssynoden statt, bei denen über den Fortgang der kirchlichen Reformen beraten wird.
Übrigens: In unserer Diözese Graz-Seckau hat die letzte Synode 1960 zum Thema „Der Laie in der Kirche“ stattgefunden. Damals ein aufsehenerregendes Ereignis!
Konzilien und Synoden waren aber immer wieder auch umstritten: „Ist eine Synode vergleichbar einem Verfassungskonvent?“ „Steht das Konzil über dem Papst?“ „Braucht die Kirche überhaupt solche Beratungsgremien, wenn der römische Bischof auch unabhängig davon ‚unfehlbare‘ Entscheidungen treffen kann?“ So hat man nach dem vorletzten Konzil, dem Ersten Vatikanum, das von 150 Jahren stattgefunden hat, gefragt.
Und überhaupt: was bringen denn die vielen Gremien, Räte, Sitzungen? Das Wort vom „Sitzungskatholizismus“ ist aufgekommen.
- Nach einem Wort des hl. Johannes Chrysostomus, der am Anfang des 5. Jahrhunderts Bischof von Konstantinopel war, sind „Kirche und Synode Synonyme“[1], also gleichbedeutend, denn es geht dabei immer um die Teilnahme aller am kirchlichen Leben.
Diese Teilhabe aller an der Sendung der Kirche ist das besondere Anliegen von Papst Franziskus angesichts epochaler Veränderungen in Gesellschaft und Kirche: als Stichworte nennt er die globale Tragödie der COVID-19-Pandemie, die tragischen Bedingungen von Migration und Flucht, den Klimawandel, auf den er in der Enzyklika LAUDATO SI‘ hingewiesen hat, und die Spaltungen in der „Menschheitsfamilie“ – das Thema der Enzyklika FRATELLI TUTTI; Franziskus verweist aber auch auf die kirchliche Situation: den Mangel an Glauben und die Korruption im Inneren der Kirche, den Macht- und Gewissensmissbrauch, die Last einer Kultur, die vom Klerikalismus gekennzeichnet ist.
Das klingt alles eher pessimistisch. Der Papst verbindet mit dem Bild von der „Synode“ aber nicht nur die Produktion neuer Dokumente, sondern – wie er zu Beginn der Jugendsynode 2018 vom Wirken des Heiligen Geistes gesprochen[2] hat - für ihn bedeutet Synode:
„Träume aufkeimen zu lassen, Prophetien und Visionen zu wecken, Hoffnungen erblühen zu lassen, Vertrauen zu wecken, Wunden zu verbinden, Beziehungen zu knüpfen, eine Morgenröte der Hoffnung aufleben zu lassen, voneinander zu lernen und eine positive Vorstellungwelt zu schaffen, die den Verstand erleuchtet, das Herz erwärmt, neue Kraft zum Anpacken gibt.“
- Wichtig ist für eine Synode dieses geistliche Verständnis! „Was der Herr von uns verlangt, ist in gewisser Weise schon im Wort ‚Synode‘ enthalten.“
Wörtlich übersetzt heißt „Syn-ode“ „gemeinsamer Weg“: „Es ist ‚der Herr Jesus, der sich selbst als der Weg und die Wahrheit und das Leben‘ (Joh 14,6) offenbart. Und die Christen in seiner Nachfolge werden ursprünglich ‚die Anhänger des Weges Jesu‘ (vgl. Apg 9,2, u.ö.) genannt.“ Synodalität ist darum „der spezifische Modus des Lebens und Handelns der Kirche als Gottesvolk, das seine Existenz als Gemeinschaft und Weggemeinschaft manifestiert und konkretisiert“[3]
Wie kann das konkret werden? Papst Franziskus erinnert an eine Episode in der Urkirche: Petrus hat angeleitet vom Heiligen Geist als erster einen Heiden, den Hauptmann Kornelius, getauft (Apg 10). Das hat damals in der Jerusalemer Gemeinde befremdet, hat aber zu einer echten Bekehrung in der Kirche geführt. Franziskus sieht in diesem Ereignis „einen schmerzhaften und überaus fruchtbaren Übergang, der das Verlassen der eigenen kulturellen und religiösen Kategorien mit sich bringt“[4].
Mit diesem Hinweis fordert der Papst auf, gründlich über den Zustand unserer Teilkirche nachzudenken und hellhörig für heute nötige Weichenstellungen und Bekehrungen zu werden: Welche Freuden, Hindernisse und Wunden, welche Schwierigkeiten haben sich in unserer Kirche gezeigt? Was sagt uns, was erwartet die Stimme des Geistes von uns? Vor allem geht es um ein gemeinschaftliches Hören auf das Wort des Evangeliums.
Und es werden Themenbereiche für den Dialog angedeutet: Wer sind heute unsere Weggefährten? Wie sieht die Praxis der Teamarbeit und Mitverantwortung aus? Wie steht es mit dem Dialog mit den anderen christlichen Kirchen? Sind wir zum Dialog auch über die Grenzen der Kirchen hinaus fähig und für ihn angemessen gebildet?
Ja: noch einmal sei an die Erwartungen erinnert, die Papst Franziskus mit diesem synodalen Prozess verbindet:
„Träume aufkeimen zu lassen, Prophetien und Visionen zu wecken, Hoffnungen erblühen zu lassen, Vertrauen zu wecken, Wunden zu verbinden, Beziehungen zu knüpfen, eine Morgenröte der Hoffnung aufleben zu lassen, voneinander zu lernen und eine positive Vorstellungwelt zu schaffen, die den Verstand erleuchtet, das Herz erwärmt, neue Kraft zum Anpacken gibt.“