Jesus selbst ruft euch
Liebe Firmkandidatinnen, liebe Firmkandidaten, die Ihr mit Euren Familien und Freunden an diesem hohen Festtag gekommen seid!
Liebe Gottesdienstgemeinde!
Was ist das höchste Fest, das wir Christen feiern? Spontan würden die meisten Leute wahrscheinlich sagen: Weihnachten. Andere verweisen auf Ostern; die evangelischen Christen sehen im Karfreitag das wichtigste Fest. Kaum jemand würde dem heutigen Pfingstfest diesen Rang einräumen. aber vom Namen her – Pfingsten leitet sich aus dem griechischen Wort für den 50. Tag „pentekoste“: 50 = 7 mal 7 plus 1: und ist eine Symbolzahl für Fülle und Vollendung - vom Namen her ist Pfingsten die Vollendung von Ostern, das Fest, an dem der Heilige Geist auf die Jünger Jesu gekommen ist.
Selbstverständlich gibt es keinen „Rangstreit“ unter den Feiertagen. Die Menschwerdung Gottes, der Tod und die Auferstehung Christi, die Aussendung des Heiligen Geistes gehören ja zusammen als das Wirken Gottes zu unserem Heil. Wir sollten aber ein Verständnis für die Bedeutung des heutigen Hochfestes wiedergewinnen – und für Euch, die Ihr heute gefirmt werden wollt, ist dieser Tag auf jeden Fall ein ganz besonderer Anlass.
- Was Pfingsten als Vollendung von Ostern bedeutet, ist nicht nur für Kirche und Theologie zentral, sondern auch für unsere Kultur und unser Zusammenleben.
Vor einiger Zeit habe ich die Diagnose gelesen: „Der Verlust der Dimension und der Sache, die das abendländische Denken mit Geist umschrieben hat, ist vielleicht die tiefste Krise der Gegenwart.“ Und: „das, was in der bisherigen Geschichte mit Geist gemeint war, ist heute im Modus der Abwesenheit in geradezu erschreckender Weise neu präsent.“[1]
Ich erinnere an eine Erfahrung, die wir alle hin und wieder machen: kostbarste Dinge und Wirklichkeiten nehmen wir so selbstverständlich, erst wenn sie fehlen, erkennen wir, wie wichtig und unverzichtbar sie sind: z.B. die Luft, das Wasser, die Gesundheit, die Geborgenheit einer Familie – und für Technik-Freaks: das „Öl“. – Übrigens: alle gerade genannten „Dinge und Wirklichkeiten“ sind auch Symbole für den Heiligen Geist.
- Zwar sollte man nicht einfach das, was wir umgangssprachlich mit „Geist“ meinen, mit dem Geheimnis des Heiligen Geistes gleichsetzen. Aber: „Geist und Heiliger Geist rufen sich gegenseitig“, wie der Jesuit Alfred Delp, ein Glaubenszeuge, also Märtyrer, der noch wenig vor Kriegsende 1945 umgebracht worden ist, gesagt hat.[2]
Wo machen wir solche Erfahrungen vom Fehlen des Geistes? Zum Beispiel ganz persönlich: wenn wir „keinen Geist haben“ – keine Freude; mutlos sind, innerlich faul, träge, antriebslos geworden sind. - Aber auch gegenwärtig in der großen Welt: Kriege sind geistlose Zustände!
Aber reden wir an diesem Festtag nicht nur vom Negativen: es gibt ja auch positive Erfahrungen von Geist, die jeder und jede von uns immer wieder macht: Denken wir an das, was in der zweiten Lesung mit dem Wort von den verschiedenen Gnadengaben angedeutet worden ist: Jede und jeder hat seine Begabungen, die sind sehr verschieden; keiner ist unbegabt. - Im Galaterbrief spricht Paulus von den Früchten des Geistes: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“ Wir dürfen verstehen: wo diese Früchte sich zeigen, ist der Geist Gottes am Werk.
Gottes Geist ist also da in Begegnungen, in Freundschaft. „Geist ist überall, wo sich etwas zwischen einem Ich und einem Du zuträgt“, wie der österreichische Philosoph Ferdinand Ebner gesagt hat.[3] Wo immer wahres Leben verwirklicht wird, da ist Gottes Geist am Werk – mit den Worten des hl. Augustinus: „Er ist die Schwerkraft der Liebe, der Zug nach oben, welcher der Schwerkraft nach unten widersteht und alles zur Vollendung in Gott führt.“[4]
- Liebe Firmkandidatinnen, liebe Firmkandidaten! Überwindung der Mutlosigkeit, Freude, Erfahrung der Nähe Jesu, Erkenntnis, welche Gaben in jedem von ihnen entfaltet werden sollen - das war es, was den Aposteln am Pfingsttag zuteilgeworden ist. - Ihr werdet heute das Sakrament der Firmung empfangen und auch Euch soll das geschenkt werden.
Sakrament bedeutet: Jesus Christus, der Auferstandene selbst ruft euch beim Namen, legt seine Hand auf euch, salbt und das heißt: weiht euch mit dem Chrisam, dem heiligen Öl: ihr sollt Christen, Gesalbte, nicht nur heißen, sondern sein; belebt durch das Wasser der Taufe, ausgestattet mit dem Atem des Heiligen Geistes; gefirmt, das heißt gestärkt, durch die Schwerkraft der Liebe Gottes – und besiegelt, bestätigt, ausgesandt, als junge Christen in Eurem Umfeld Botschafter Jesu Christi zu sein und Früchte des Geistes hervorzubringen: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung.“
Firmung ist kein Ende, sondern ein Anfang!
Auch für Sie, die Paten, ist der heutige Tag Anfang einer neuen Verantwortung: Sie sollen „Paraklet“, „Beistand“, Wegbegleiter für diesen jungen Menschen sein, der in Sie mit der Bitte um Ihre Patenschaft ein besonderes Vertrauen gesetzt hat. Sie sollen für Ihren Firmling eine Erfahrung von Geist, vom Heiligen Geist sein. Dazu wünsche ich Ihnen Gottes Segen!
[1] W. Kasper, Der Gott Jesu Christi, Mainz 1982, S. 246f;
[2] A. Delp, zit. von Roman Bleistein, in: Zeitschrift „Stimmen zur Zeit“, August 1996, S. 506;
[3] F. Ebner, Das Wort ist der Weg. Ferdinand Ebner. Ein vergessener Prophet? Hg .von P. Kampits, ,Wien 1983, S.64;
[4] Augustinus, Confessiones XIII,7,8, zit. von W. Kasper a.a.O. S. 250.