Freuet euch! Gaudete!
„Gaudete! Freut euch!“ – seit Jahrhunderten werden die Gläubigen am dritten Adventsonntag mit diesem Wort des Apostels Paulus zur Vorfreude auf das Geburtsfest Christi aufgefordert: „Freut euch! Denn der Herr ist nahe.“ - Der Advent ist in der Kirche aber auch eine Zeit, in der uns das Wort Johannes des Täufers zur Umkehr aufruft, eine Zeit des Ernstes und einer Neuorientierung unseres Lebens. Wie vor Ostern in der Fastenzeit soll aber auch in der Vorbereitung auf Weihnachten die Freude über eine neue Begegnung mit Gott, die uns in der Bekehrung geschenkt wird, bestimmend sein – wir feiern ja, dass Gott selber zu uns kommt.
- Freude meint nicht eine oberflächliche, künstliche produzierte Lustigkeit, sondern eine Grundhaltung, die uns auch in Nöten und Zeiten der Prüfung trägt. Denn in Gott „leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28).
Im Adventlied von Friedrich Spee von Langenfeld „O Heiland, reiß die Himmel auf!“, das der Jesuit am Beginn des Dreißigjährigen Krieges gedichtet hat, fragt die zweite Strophe: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“ – Wahrscheinlich ist diese Frage heute - angesichts der jetzigen Weltlage, aber auch in persönlich schwierigen Situationen - Vielen näher als die Vorfreude auf das Christfest. Es ist die Frage, die auch Johannes der Täufer gestellt hat.
Vor einer Woche ist uns im Evangelium vom anfänglichen Gleichklang der Predigt des Johannes und Jesu berichtet worden – heute wird im Evangelium deutlich, dass der Täufer trotz der anfänglichen Parallelen eine andere Vorstellung von einem Messias hatte, er verkündete einen Messias, der mit Macht auftritt, Ordnung schafft, die „Tenne der Welt säubert und die Spreu verbrennt.“ Jesu Wort und Handeln haben dem nicht entsprochen.
- Die Frage, mit der die Jünger des Johannes zu Jesus gekommen sind, zeugen vom Zweifel, der den Täufer und seine Anhänger gequält hat – und wohl auch viele von uns beschäftigt: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“
Um die Freude gewinnen zu können, müssen wir uns über die Situation unseres Glaubens klarer werden, und das heißt: wir müssen uns auch unseren Fragen und Zweifeln stellen. Es gibt zwar auch destruktive Fragen, das Infragestellen um der Infragestellung willen, bei dem man sich erst gar nicht um eine Antwort bemühen will. Es gibt aber auch – frei nach Heidegger, dem wir das Wort verdanken: “Das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens“[1] – es gibt auch eine Frömmigkeit des Fragens, wenn wir damit zu Gott kommen und hoffen und bitten, dass er uns einen Weg zeigt. Johannes hat in seinem Zweifel gefragt.
In der Frage des Täufers wird deutlich, dass der Glaube von uns eine Entscheidung abverlangt. Wir „haben“ Gott nicht wie ein Objekt, auch wir Glaubende sind noch immer auf der Suche nach Gott, wie es der Psalm sagt: „O Gott, mein Gott, ich suche dich, meine Seele dürstet nach dir, wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ (Ps 63,1f).
- Die Antwort, die Jesus dem Johannes ausrichten lässt, hört sich wie eine Tautologie an: die Berichte über Jesu Predigt und Wirken, die man Johannes gebracht hatte, waren ja Auslöser für die Zweifel, die in Johannes aufgestiegen waren: „Bist du der, der kommen soll?“
Jesus zitiert in seiner Antwort allerdings den Propheten Jesaja: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet.“
Das Reich Gottes bricht dort an, wo Gottes Barmherzigkeit, Gottes Herz für Menschen in Not spürbar wird, wo wir eine Umkehr des Sehens und Hörens vollziehen, neue Wege gehen, ein zum Tod führendes Leben hinter uns lassen. Dort wird uns ein neues Leben geschenkt. In der Liebe zum Nächsten wird uns auch die Freude der Nähe Gottes zuteil.
[1] In Martin Heideggers (1889-1976) Werk findet sich der Gedanke: “Das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens“ (Heidegger, Vorträge und Aufsätze, S. 44, Verlag G. Neske, Pfullingen, 1954).