Gehen Sie ein Stück des Weges mit mir
Herr Pfarrer – oder wie sagt man denn künftig zu Ihnen?
Ewald Pristavec: Herr Pfarrer passt wunderbar.
Sie werden mit September zugleich Dompfarrer und Stadtpfarrpropst. Um Sie Ihren künftigen Gemeindemitgliedern ein wenig vorzustellen: Wo kommen Sie her, was haben Sie bisher so gemacht?
Pristavec: Ich bin aufgewachsen in Graz, in der Pfarre St. Paul in Liebenau. Ich und meine drei Geschwister haben dort die Schule besucht, in St.Peter habe ich 1991 maturiert und anschließend mit dem Theologiestudium in Graz begonnen, war aber auch ein Jahr in Wien. 1997 habe ich das Studium abgeschlossen und war anschließend in Straßgang Diakon und Pastoralpraktikant – übrigens beim damaligen Pfarrer Christian Leibnitz.
Seit wann sind Sie Priester?
Pristavec: 1998 wurde ich von Bischof Johann Weber zum Priester geweiht. Meine erste Stelle als Kaplan war die Pfarre Judenburg St. Nikolaus. Für drei Jahre ausschließlich hier, in der Folge wurde ich gebeten als zweite Kaplanstelle nach Schladming zu gehen. Nach zwei Jahren wurde ich Pfarrer in Zeltweg, das war ich acht Jahre. Dann wollte ich mich verändern, und bin in den Bezirk Murau gewechselt; dort habe ich den Pfarrverband Stadl an der Mur, vier kleine Pfarren, übernommen, ehe ich nach sechs Jahren gebeten wurde, den doch sehr großen Pfarrverband Bruck zu übernehmen. Später wurde ich gefragt, den weit größeren Seelsorgeraum Bruck zu übernehmen. Das habe ich sehr gründlich überlegt und bin zu dem Schluss gekommen, das will ich nicht. Denn diese Funktion ist mit sehr viel Administration, Bürokratie und Sitzungen verbunden.
Das sind Sie nicht geworden, sind aber in Bruck geblieben?
Pristavec: Ja, ich bin als Vikar in Bruck geblieben und habe ein paar Schulstunden übernommen in der Forstschule. Ich war auch für das Pius-Institut zuständig und im letzten Jahr habe ich auch provisorisch den Seelsorgeraum Kindberg übernommen, weil der damalige Pfarrer abhanden gekommen ist.
Über zu wenig Arbeit konnten Sie sich also nie beklagen, und dennoch haben Sie „nebenbei“ noch ein Doktoratsstudium gemacht.
Pristavec: Ja, diese Idee hatte ich schon länger im Hinterkopf: Mein großes Interesse gilt der Religionswissenschaft und ich habe deshalb bei Professor Woschitz meine Dissertation über einige Märchen der Brüder Grimm und kalvinistische Aspekte darin geschrieben.
Zurück in die Zukunft: Sie übernehmen zwei bisher getrennte Pfarren. Haben Sie schon eine Idee, wie Sie so viel Arbeit unter einen Hut bringen?
Pristavec: Man kann es insofern gut unter einen Hut bringen, weil der Tag nur 24 Stunden hat – für alle. Vor allem aber habe ich ein Team von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Ich werde nicht der sein, der alles selber macht, aber ich werde der sein, wo alle Fäden zusammenlaufen und wo man gemeinsam zu guten Entscheidungen kommt.
Erhoffen Sie sich weiter personelle Unterstützung, etwa durch einen Kaplan?
Pristavec: Ein Kaplan ist nicht zugesagt. Aber es gibt in der Innenstadt noch viele Priester, die mithelfen werden. Und eine Pastoralreferentin wird die Arbeit vor Ort unterstützen.
Die Kirche ist seit vielen Jahren einem massiven Wandel der Gesellschaft unterworfen. Wohin geht die Reise der Kirche?
Pristavec: Eine schnelle Antwort auf diese umfassende Fra-ge habe ich natürlich nicht. Aber aufgrund meines Wissens und meiner bisherigen Erfahrungen bin ich mir in einem hundertprozentig sicher: Kirche wird dort eine ganz große Kraft entwickeln, wo es persönliche Begegnung gibt. Es wird nicht mehr die große Masse sein. Aber überall dort, wo Menschen aus ihrer Überzeugung heraus das Leben gestalten, wird etwas zu leuchten beginnen. Die Formen werden sich ändern, aber Kirche wird immer ein bedeutender Teil der Gesellschaft bleiben.
Was bedeutet das für Ihre künftige Arbeit?
Pristavec: Ich war jetzt 25 Jahre weg aus Graz. Ich kann, wenn ich heute zurückkomme, nicht so tun, als sei alles wie früher. Und wenn Dinge sich ändern, heißt es nicht, dass sie besser oder schlechter sind – sondern erst einmal anders. Da muss man sich anschauen, welche sind die Dinge, die man mitschleppt und die nicht mehr in die Zeit passen. Davon wird man sich verabschieden müssen. Und es wird Dinge geben, die man mit viel Energie und Herzblut weiterführen wird. Aber es wird Dinge geben die ganz, ganz neu sind, auf die wir bisher noch gar nicht gekommen sind. Und die werden wir ab sofort angehen. Dieser Dreiblick skizziert ganz gut meine künftige Arbeit.
Eine kirchenpolitische Frage: Die personelle Situation wird allgemein immer schwieriger, Stichwort massenhafte Kirchenaustritte, fehlender Priesternachwuchs. Wird der Pflichtzölibat bleiben? Muss er bleiben?
Pristavec: Also ich gehe davon aus, dass sich da nichts ändern wird. Das ist eine Frage der Weltkirche. Aber es geht ja nicht nur um den Priesternachwuchs, wir habe ja kaum mehr Leute, die als Pastoralreferent oder -referentin arbeiten wollen. Es wird sich die Frage des Religionsunterrichts weiter zuspitzen, wenn sie sich die Zahl der offenen Stellen an-schauen, kann’s ihnen schwindlig werden.
Können Sie dem etwas entgegensetzen?
Pristavec: Ja, es ist mir ein ganz großes Anliegen, möglichst viele Menschen im Bereich des Ehrenamts einzuladen, sie dabei mitzunehmen. Ein früherer Bundeskanzler hat einmal gesagt: „Gehen Sie ein Stück des Weges mit mir“.
Dieser Satz ist zeitlos richtig. Haben Sie zum Dienstantritt einen speziellen Wunsch an Ihre neue Gemeinde oder an den Pfarrgemeinderat?
Pristavec: Nichts Konkretes, aber ganz allgemein: Es gibt diejenigen, die sehr bewahrend sind. Da sind viele Dinge, die Kirche ausmachen, sehr wichtig. Gleichzeitig aber darf das nicht den Blick auf das verstellen, was die Zukunft dringend braucht. Hier im Rahmen der Stadtpastoral ein Gleichgewicht zu finden, wird meine größte Herausforderung sein.
Und in der kargen Freizeit, haben Sie ein Hobby?
Pristavec: Da habe ich nur eine ganz große Leidenschaft – die Oper. Dafür ist der Arbeitsplatz Graz ideal, aber ich mache ganz gerne auch einmal eine Reise.
Interview: Claus Albertani