Schlüssel zu den Herzen der Menschen
Homilie bei der Vesper zum 21. Sonntag im Jahreskreis am Samstag, 26. August 2023 im Ägydiusdom
Lesung Jes 22,19-23;
In wenigen Tagen wird der Bischof hier im Dom den Priester Dr. Ewald Pristavec in das Domkapitel an der Kathedralkirche zum hl. Ägydius in Graz aufnehmen und ihn dann als Dompfarrer und Stadtpfarrer zum Heiligen Blut ins Amt einführen. Die Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja, die wir gerade gehört haben, ist nicht im Hinblick auf diese Investitur und Installation – wie man diese formalen Rechtsakte auch nennt – ausgesucht worden, sondern im Hinblick auf das Evangelium des 21. Sonntages im Jahreskreis im Lesejahr A mit dem uns allen bekannten Wort Jesu an Petrus, das Matthäus überliefert: „Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen … Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,18f).
- Es ist aber auch sinnvoll, die Prophetenlesung im Hinblick auf die Feier in ein paar Tagen zu betrachten.
Auch in diesem Text geht es um eine Amtseinführung, die der Prophet im Namen und mit Worten Gottes ankündigt. Heutzutage weckt der Begriff „Amt“ manche Assoziationen, die im Hinblick auf eine Pfarre zwar berechtigt, aber nicht zu sehr betont werden sollten: „Amt“ – damit verbinden wir: Kanzlei, Formulare, Abgaben, formale Abläufe, einzuhaltende Fristen, Vorsprachen usw., usw. Deshalb ist das Wort „Pfarramt“ nicht mehr sehr geläufig.
Wohl aber ist es angebracht, die Bedeutung des Wortes „Amt“ zu bedenken. Das Wort ist – laut Kluges Etymologischem Wörterbuch – ein Begriff, der sich aus dem Keltischen herleiten lässt und bedeutet „Diener, Gefolgsmann“.[1] „Wer ein Amt innehat, ist also nicht sein eigener Herr. Er steht immer in der Verantwortung gegenüber seinem Dienstgeber.“[2] Er ist also ein Diener.
- Investitur und Installation - Amtsgewand und Schlüsselübergabe.
Die Amtseinführung, die der Prophet ankündigt, erfolgt durch die Bekleidung mit einem Amtsgewand und einer Schärpe: der Amtsträger soll in seiner neuen Funktion erkennbar sein – daher der Begriff „Investitur“ (von vestis – Kleidung). „Installierung“ hat nichts mit einem Spengler, Installateur oder dergleichen zu tun, sondern bedeutet die Hinführung zu einem bestimmten Platz, einem „Stallum“ im Chorgestühl, und damit die Einführung in sein neues Amt.
Als Zeichen für seine Verantwortung werden einem neuen Kanoniker ein Brustkreuz und ein Ring überreicht. Die Übergabe der Schlüssel, die bei einer „Pfarrerinstallierung“ üblich ist, macht den Pfarrer nicht zum Mesner oder Hausmeister – der er auch manchmal sein muss -, sondern ist Ausdruck der Verantwortung für die heiligen Geheimnisse, also für die Verkündigung des Wortes Gottes und die Spendung der Sakramente.
- Bischof Kapellari zeigt in seinem schönbebilderten Buch mit dem Titel „Geheimnisvoll erstrahlt das Kreuz“ eine Kreuzesdarstellung in schlichter Schlüsselform.[3]
Im Licht dieser Prophetenlesung sollten wir eine Amtseinführung – auch die unseres nächsten Pfarrers – als ein Zeichen verstehen, durch das deutlich wird, dass in der Kirche Aufgaben nicht im Sinne der Anweisung im Kochbuch „Man nehme!“ anzugehen sind, sondern als ein geistlicher Auftrag. Und den sollen wir mit dem Wunsch verbinden:
Möge Gott ihm gewähren, dass er auch einen Schlüssel zu den Herzen der Menschen findet.
[1] F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin, New York 1989, S.26f;
[2] G. Lipok, Unsere Hoffnung Gottes Wort, Frankfurt 1995, S. 475;
[3] E. Kapellari, Geheimnisvoll erstrahlt da Kreuz. Betrachtungen über das Leiden Christi mit Bildern sakraler Kunstwerke aus Kärnten. Fotografiert von Wim van der Kallen, Klagenfurt 1994, S. 181.
Predigt beim Gottesdienst am Sonntag, 27. August 2023 um 10 Uhr im Ägydiusdom
Lesungen Jes 22,19-23; Röm 11,33-36; Mt 16,13-20;
Dieses Evangelium ist uns Katholiken sehr bekannt. Wenn wir vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil nach einem Wort Jesu über die Kirche befragt worden sind, ist uns zunächst dieses Evangelium eingefallen, das ja auch in großen Lettern in der Kuppel von St. Peter in Rom zu lesen ist: „Tu es Petrus – Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen…“ – Dieses Wort steht ohne Zweifel im Neuen Testament. - Andere christliche Konfessionen setzen auf die Frage nach ihrem Kirchenverständnis den Akzent auf andere Bibelstellen und messen diesem Wort an Petrus weniger Bedeutung zu.
- Nun sollen wir die Evangelien ja nicht als „Steinbruch“ für Dogmen, aber auch nicht für das Kirchenrecht betrachten, sondern die einzelnen Aussagen im Licht der gesamten Botschaft der Heiligen Schrift verstehen.
Das letzte Konzil hat das getan und die Kirche auch als Volk Gottes, als Leib Christi, „gleichsam als Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1), als „Wohnstatt Gottes im Geist“ (LG 6) bezeichnet.
Wichtig ist es, diese verschiedenen Bezeichnungen auch im Zusammenhang des Evangeliums und der anderen Schriften der Bibel zu verstehen – so z.B. auch das Wort, das Jesus dem Petrus auf dessen Antwort zur Frage gegeben hat: „Für wen haltet ihr mich?“ Die Antwort des Petrus ist ihm vom Vater im Himmel offenbart worden.
- Aber auch das ist zu bedenken: Jesus hat zunächst den Jüngern aufgetragen, „niemand zu sagen, dass er der Christus, der Messias, ist“, denn dieser Titel konnte leicht missverstanden werden – und vor allem: Jesus ist nicht auf eine „Formel“ zu bringen.
Für wen also halten die Menschen heute - wir - Jesus? Jesus hält alle Vergleiche aus, er sprengt aber auch alle Begriffe!
- Jesus wurde als „Sohn Davids“ bezeichnet, als Messias, Christus - gesalbt mit dem Heiligen Geist: Ja – aber sein Anspruch ist nicht ohne sein Kreuz zu verstehen – erst in seiner Passion bekennt Jesus sich als König.
- War Jesus ein Prophet? Zunächst hatte er eine Nähe zu Johannes, dem Täufer. Man hat ihn als Rabbi – Lehrer angesprochen. Er ist Bote Gottes – aber er ist das Wort Gottes in Person!
- Jesus – ein Philosoph, ein Religionsstifter? Tatsächlich hat man ihn in der Antike mit Sokrates verglichen, aber kein Philosoph oder Religionsstifter konnte von sich sagen: „Ich bin die Wahrheit“.
Mit dem Messiasbekenntnis drückt die Kirche Christi Einmaligkeit und seine Unmittelbarkeit zu dem, den er seinen Vater nennt, aus: er ist „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, eines Wesens mit dem Vater.“
- Dieses Bekenntnis des Petrus ist das Credo der Kirche, das Fundament der Kirche. Aber nicht Petrus baut die Kirche, sondern Christus ist es, der die Kirche als Haus Gottes errichtet. Und Christus ist der Eckstein (Apg 4,11).
Der Titel der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „LUMEN GENTIUM – Licht zur Erleuchtung der Völker“ – bezieht sich nicht auf die Kirche, sondern auf Christus. Sein Licht zu bezeugen, das ist die Aufgabe der Kirche. Also – um im Bild des heutigen Evangeliums zu bleiben – der Bau der Kirche ist eher als Leuchtturm zu verstehen, der das Licht Christi, seine Frohe Botschaft zur Orientierung an die Menschen weiterzugeben hat.
Reinhold Stecher, der verstorbene Tiroler Bischof, ein großer Pädagoge, hat einmal in einer Predigt über das Bild von der Kirche als Haus meditiert und verschiedene Haustypen als Bilder für heute ausgeschlossen: die feste Burg, wehrhaft und unbezwingbar; - die Bastion, von der aus Feinde angegriffen werden; - Kirche quasi als Supermarkt „Hereinspaziert - zum Ausverkauf“. All das darf Kirche nicht werden. –
Im Neuen Testament werden die Gemeinden mit „paroikiai“ verglichen – man hat dieses Wort mit „Beisassen“ - im Sinne eines „Fremdenquartiers“ - übersetzt, wörtlich bedeutet es „bei den Häusern“: Kirche, Pfarre soll dort sein, wo die Menschen leben. Jesus hat in der Bergpredigt von der „Stadt auf dem Berg“ gesprochen, die nicht verborgen bleiben kann, sondern einladend ist und die Einladung dessen ausrichtet, der sagt: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken!“ (Mt 11,28).
Das wünsche ich mir auch von der Zukunft der kirche.