Das Fest findet statt
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!
Eine wichtige Einladung auszuschlagen, ist mehr als eine belanglose Unhöflichkeit. Jeder, der selbst schon einmal versetzt wurde, kann den Unmut des Königs, von dem wir im heutigen Gleichnis gehört haben, gut nachempfinden. Die Geschichte ist nicht aus der Luft, sondern aus dem vollen Leben gegriffen. Gott bereitet ein Fest und lädt dazu ein. Die schlechte Nachricht: die Geladenen kommen nicht. Die gute Nachricht: das Fest findet trotzdem statt. Das ist die frohe Botschaft, die in diesem Gleichnis verborgen ist! Was allerdings nicht gleich auf den ersten Blick einleuchtet, sondern sich nur nach und nach erschließt.
Das Gleichnis trägt ein Geheimnis in sich. Ein Geheimnis, nicht ein Rätsel. Ein Rätsel lässt sich durch Nachdenken und Grübeln auflösen; ein Geheimnis bleibt. Ein Rätsel hat geradezu seinen Sinn darin, dass es seinen Charakter einbüßt. Für alle, die die Lösung kennen, ist es kein Rätsel mehr. Klar und ohne Fragezeichen liegt es vor ihnen. Das Geheimnis aber bleibt ein Geheimnis. Sein Charakter verstärkt sich sogar, je intensiver es durchdrungen wird. Doch wer daraus schließt, dass es sich gar nicht lohnt, einem Geheimnis überhaupt nachzugehen, geht in die Irre. Wer nur wichtig nimmt, was er leicht auflösen kann, geht dem Leben nicht auf den Grund. Wer nur Rätsel interessant findet, Geheimnisse aber nicht, bleibt an der Oberfläche. Er verstellt sich den Zugang zur Kunst des Verweilens bei wichtigen Dingen, die immer etwas Geheimnisvolles in sich tragen. Verweilen wir deshalb bei diesem eigenwilligen Gleichnis, das Jesus den Hohenpriestern und Pharisäern – und damit uns allen - erzählt.
„Das Himmelreich gleicht einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Und er sandte seine Diener aus, die Gäste zur Hochzeit zu laden.“
Damit fängt es an. Der König lädt zum Hochzeitsfest für den eigenen Sohn. Weil er es will, soll ein Fest gefeiert werden. Mit dieser Aktivität vergleicht Christus das Himmelreich. Zum Himmelreich wird eingeladen. Gottes Reich ist keine Fiktion, die einem erschöpften und hoffnungslosen Christen vorgespiegelt wird, damit er fröhlicher und kraftvoller in die Zukunft blickt. Nein, zuversichtlich können wir sein, weil wir wissen: Das Fest findet satt. Gottes Reich kommt. Die Einladung ist ausgesprochen. Und hier beginnen die Schwierigkeiten.
Ein Fest, zu dem eingeladen wird, ist noch nicht gewesen, es ist noch nicht vorbei. Aber es kann die Gegenwart schon vibrieren lassen. Die Freude, die Vorfreude ergreift jeden, der bereit ist zu kommen. Aber es kommt keiner! Die königliche Einladung erreicht die Adressaten, doch sie wollen nicht kommen.
Mancher Pfarrer hat sich schon mit diesem Satz getröstet und sich gesagt: Wenn selbst die königliche Einladung ins Leere läuft, muss man sich auch damit abfinden, dass manche, viele Christen die Einladung zum heutigen Hochzeitsmahl, zur Feier der Eucharistie, achtlos übergehen.
„... Sie wollten nicht kommen...“ Natürlich gibt es die Desinteressierten, wie überall im Leben und so auch in Fragen des Glaubens. Aber darauf sollten wir uns nicht herausreden, wenn wir über leere Kirchen klagen. Offenkundig gibt es gerade heute so etwas wie eine neue Sehnsucht nach Gott. Allerdings spielt sich diese außerhalb der Kirche ab. In wie vielen Herausforderungen und Nöten, die uns heute bedrängen und auf die wir eine Antwort suchen, stecken letzten Endes nicht religiöse Sehnsüchte? Wie viele Menschen suchen heute nach Sinn, nachdem sie zuvor den Glauben und die Kirche aus ihrem Leben gestrichen haben! Sie wollen ohne Gott dem Geheimnis ihres Lebens auf die Spur kommen. Sie bäumen sich gegen die Sinnleere auf. Sie finden sich nicht mehr damit ab, wenn das Geheimnis des Lebens durch die Verlockungen der Welt oder durch seichte Unterhaltung überdeckt werden soll. Aber sie merken nicht, dass sie das, was sie suchen, selbst aus ihrem Leben verbannt haben. Oder kann es sein, dass diese Menschen die Einladung des Königs noch gar nicht wirklich vernommen haben? Ist sie noch gar nicht an ihr Ohr gedrungen? Wie kann es dann ins Herz dringen und zu Herzen gehen? Es ist an uns, die Einladung bekannt zu machen. Denn das Fest findet statt. Der König bekräftigt es. Er sendet ein zweites Mal Herolde für seine Feier aus. Sie berichten von den bereits angelaufenen Vorbereitungen. Doch der Einladung wollen all jene nicht folgen, die sich im Alltäglichen verbeißen. In drastischen Bildern schildert das Gleichnis die Folgen für die Verächter der Einladung.
Aber der König gibt nicht auf. Er unternimmt einen dritten Anlauf: „Geht hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein“ befahl er seinen Dienern. Sie holten alle zusammen, die sie trafen: Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen. Jeder ist willkommen. Und jeden nimmt der König wahr. Im Himmelreich sind alle gleich. Aber es ist kein Ort der Beliebigkeit. Denn dem König ist es ernst mit dem Fest. Aber er kennt Grenzen der Toleranz. Und einer verspielt sein Glück. Die fehlende Festtagskleidung wird ihm zum Verhängnis. Aber wie kann das zusammenpassen: Die Einladung ergeht an alle, und doch gibt es Grenzen der göttlichen Toleranz? Gottes Gnade ist unbegrenzt, ja, aber sie ist nicht billig. Von der Nachfolge Jesu wird niemand ausgeschlossen, aber sie wird ihm nicht gratis hinterhergeworfen, darum darf keiner sie auf die leichte Schulter nehmen. Das bedeutet ganz konkret: Das Geheimnis des Glaubens ist keinem verschlossen, aber es kann sein, dass Menschen sich ihm selbst verschließen. Und genau hier liegt das eigentliche Geheimnis des Gleichnisses: Es geht um das hochzeitliche Gewand!
Als der König den Saal betritt, bemerkt er einen, der kein Hochzeitsgewand angelegt hat; deshalb wird er vom Fest ausgeschlossen. Warum hat dieser Gast die Einladung des Königs angenommen, warum ist er in den Festsaal gekommen, warum ist ihm die Türe geöffnet worden? Was hat es mit dem Hochzeitsgewand auf sich? Auf diese wichtige Frage hat Papst Gregor der Große eine wunderbare Deutung gegeben. Jeder, der auf die Einladung Gottes zur Teilnahme an seinem Festmahl geantwortet hat, besitzt in gewisser Weise den Glauben. Der Glaube hat ihm die Türe des Festsaales geöffnet, um zu bleiben, aber es fehlt ihm etwas Wesentliches, das Wesentliche: das Hochzeitsgewand eben, und das steht als Symbol für die Liebe. Der heilige Gregor fügt hinzu: „Jeder von euch, der den Glauben an Gott besitzt, wird zwar in den Festsaal, das heißt in das Himmelreich eingelassen, aber er verbleibt dort nur, wenn er im hochzeitlichen Gewand kommt.“ Und dieses Gewand ist, symbolisch gesprochen, von zwei Fäden durchwoben, der eine oben und der andere unten: die Gottesliebe und die Nächstenliebe.
Wir sind alle eingeladen, Tischgäste des Herrn zu sein. Durch den Glauben wird uns der Festsaal, das Himmelreich, geöffnet, aber wir müssen das Hochzeitskleid, die Liebe, anziehen und bewahren, das heißt eine tiefe Gottes- und Nächstenliebe leben. Dann werden wir nicht nur Einlass ins Himmelreich finden, sondern eine dauernde Bleibe. Amen