Johannes ist heimgegangen
Liebe Familie Grill, liebe Frau Astrid, liebe Freunde von Johannes und liebe Mitglieder der Domgemeinde!
„Euer Herz lasse sich nicht verwirren! Glaubt an Gott und glaubt an mich!... Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“ – Diese Worte, die wir eben gehört haben, wurden von Jesus wenige Stunden vor seinem Tod beim letzten Abendmahl zu den Aposteln gesprochen.
- „Euer Herz lasse sich nicht verwirren!“ – das ist heute auch uns gesagt. Die Nachricht vom Tod von Johannes hat uns völlig unerwartet getroffen und erschüttert und weckt in uns Fragen, auf die wir keine Antwort bekommen: „Warum?“
Wir sind mit der Wirklichkeit konfrontiert, die vor über 1100 Jahren der Mönch Notker von St. Gallen am Beginn eines Gebetes ausgesprochen hat: „Mitten in dem Leben sind vom Tode wir umfangen.“ Mitten aus dem Leben ist Johannes herausgerissen worden, in einem lange ersehnten und mit Freude erlebten Urlaub, von dem er noch Freunden wenig vor seinem Tod Karten geschrieben hat (z.B. Prof. Wagner aus Mont Saint Michel).
Der mittelalterliche Mönch betet weiter: „Wer ist, der uns Hilfe bringt? Das bist du Herr alleine! “ Seit jeher ringen Menschen um eine Sprache für das Unfassbare des Todes. Im Glauben ist dafür ein Wort gefunden worden: Heimgang – und wir sollen uns gegenseitig helfen, dieses Wort anzunehmen: Johannes ist heimgegangen.
- Wir nehmen in dieser Stunde Abschied von ihm. Seit uns die Meldung von seinem Unfall am 28. September im Atlantik bei Lacanau erreicht hat, hat sich jede und jeder von uns an viele Begegnungen mit Johannes erinnert.
Erst vor kurzem hat Johannes die Vollendung seines 40. Lebensjahres begangen: er ist am 10. August 1983 geboren worden. Die Grazer Dompfarre war ihm seit seiner Volksschulzeit und als Schüler am Akademischen Gymnasium, wo er auch maturiert hat, vertraut: Hier war er Domministrant, hat sich zur Domjugend bekannt und Verantwortung bei den Ferienlagern der Ministranten im Hölltal übernommen.
Seit seiner Mittelschulzeit war er auch aktiver Landhockeyspieler und hat sich für seinen Hockeyclub bis zuletzt engagiert. Nach seinem Präsenzdienst hat er ein Jusstudium begonnen, aber schon früh auch gearbeitet – zunächst als Zusteller von dringend benötigten Arzneimitteln, dann als Chauffeur des Generaldirektors der Grazer Wechselseitigen Versicherung. Mit Freunden hat er eine Firma gegründet, in die er viel Zeit und Energie investiert hat.
Es war eine Fügung, dass er 2017 Astrid kennengelernt hat, mit der er Vieles unternehmen konnte. Reisen führten sie gemeinsam nach Amerika, Thailand, quer durch Europa. Diese sechs Jahre mit Astrid waren seine glücklichste Zeit. Er hat viel Kraft in den Umbau des Hauses und die Gestaltung des Gemüsegartens gesteckt. Urbaner Gartenbau, mehr Klimaschutz, der Gartenverein „Die Zödelei“ und das „Zentralgartenbüro“, die er mitbegründet hat, waren seine besonderen Anliegen.
2018 haben wir ihn gebeten, am Dom Mesner zu werden. Nach einer Bedenkzeit hat er dazu Ja gesagt und sich mit seinen Begabungen und seiner guten Kenntnis der Aufgaben am Dom mit vollem Einsatz und großer Hilfsbereitschaft eingesetzt. Sowohl die täglich üblichen Arbeiten in der Sakristei, aber auch die Betreuung und Pflege der Kunstwerke am Dom, die Wartung und Weiterentwicklung der technischen Ausstattung waren bei ihm in besten Händen – und das in der sensiblen Zeit der großen Domrenovierung. Eine besondere Herausforderung war die neue elektronisch gesteuerte Lichtanlage. Zu seinem Werkzeug als Mesner in einer solchen Verantwortung gehörte auch das „Tablet“, mit dem er technische Einrichtungen steuern konnte. Früher hat es im Domkapitel die Funktion eines „Domkustos“ gegeben – Johannes war ein sehr guter Kustos, also Hüter und Bewahrer unserer Domkirche.
Seine letzte irdische Reise führte ihn mit Astrid nach London, dann entlang der Westküste Frankreichs, am Atlantik, wo sein Leben am 28. September so jäh ein Ende genommen hat.
- „Es sind die Abschiede, die vereinen“ – schreibt der Schriftsteller Reinhold Schneider in seinem Werk „Winter in Wien“. „Es sind die Abschiede, die vereinen.“
- Dieser Abschied vereint die Familie, Verwandte, Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen, Freunde und die Mitglieder der Domgemeinde untereinander.
- Und uns alle in Gedanken mit Johannes.
- Dieser Abschied vereint Johannes aber auch mit dem Ziel seines Lebens. Der heilige Augustinus hat quasi als Leitwort auf der ersten Seite seiner Bekenntnisse geschrieben: „Auf dich hin hast du uns geschaffen und unruhig bleibt unser Herz, bis es Ruhe findet in Gott“.
Wir sind heute voll Trauer und schämen uns unserer Tränen nicht. Jesus hat am Grab seines Freundes Lazarus geweint. Mit jedem und jeder, die uns im Tod vorausgegangen sind, vergeht auch etwas von unserem Leben, denn sie haben zu unserem Leben gehört. Johannes fehlt Ihnen, Euch, uns, auch uns in der Domgemeinde gerade jetzt in der Zeit eines Wandels und Übergangs.
Und doch dürfen wir uns das Wort des Apostels Paulus zu Herzen nehmen: „Trauert nicht, wie jene, die keine Hoffnung haben“ (1 Thess 4,13). Trauer mit Hoffnung, das heißt, wir sollen unsere Trauer mit Dankbarkeit verbinden: Jede und jeder von uns hat ihm etwas zu verdanken.
Wir feiern diesen Abschied im Rahmen einer heiligen Messe. Wir dürfen glauben, dass Johannes in Christus lebt und dass er, wenn wir das Gedächtnis Jesu - die Kommunion, die Gemeinschaft mit Christus – feiern, mit und in Christus auch mitten unter uns ist, mit uns verbunden bleibt und wir mit ihm.
Beten wir, dass Johannes das Leben in Fülle geschenkt sei, dass Christus, das ewige Licht, ihm leuchte und er ruhe in Gottes Frieden. Amen.